Zum dritten Mal in Folge findet am 8. März ein internationaler Frauen*streik statt. In diesem Jahr rufen zum ersten Mal auch in Deutschland zahlreiche Organisationen, Gruppen und Initiativen Frauen* auf, sich zu beteiligen.
Petra Stanius
Anders als etwa im Spanischen Staat, ist hier mit Streikaufrufen der Gewerkschaften und offener Arbeitsverweigerung in den Betrieben eher nicht zu rechnen. Aber spannend wird der Frauen*streik dennoch.
Der feministische Streik zielt auf die Verweigerung jeder Art von Arbeit ab – nicht nur der Lohnarbeit. So soll nicht zuletzt die unbezahlte Arbeit bestreikt werden, die immer noch zum weit überwiegenden Teil von Frauen verrichtet wird. Der erweiterte Arbeitsbegriff ist ein wichtiger Punkt, der den Frauen*streik von anderen Streikaktionen unterscheidet.
Ohne die weit überwiegend von Frauen geleistete unbezahlte Reproduktionsarbeit würde es auch keine Produktion geben. Ob Hausarbeit, Sorge für Kinder, Pflege von Angehörigen … – die kapitalistische Gesellschaft könnte ohne diese Arbeit nicht existieren. Sie verdrängt sie aber ins Unsichtbare. Das soll am 8. März 2019 anders sein.
Unbezahlte Arbeit umverteilen
Wie wichtig Sorge- und Hausarbeit ist, wird sofort spürbar, wenn sie einmal nicht getan wird. Oder wenn sie jemand anderes tun muss, der damit sonst nicht behelligt wird.
Oft ist die unbezahlte weibliche Arbeit so unentbehrlich, dass sie auch am 8. März getan werden muss, da ansonsten anderen Menschen ernsthafter Schaden droht. Oder frau streikt – und am nächsten Tag wartet die doppelte Menge an Hausarbeit auf sie.
Damit weder das eine noch das andere geschieht, stellt sich eine weitere Frage, die bei betrieblichen Streiks in dieser Form nicht aufkommt: die Frage nach der – möglichst dauerhaften – Umverteilung von Arbeit. Wer kann sie übernehmen, wenn die Frauen* streiken? Und ist es nicht möglich, Sorge- und Hausarbeit auch nach dem 8. März so zu organisieren, dass Frauen* dauerhaft entlastet werden?
Auch Schulen und Universitäten geraten in den Blick: als Institutionen, die Ungleichheit und stereotype Geschlechterrollen reproduzieren. Mehr Mädchen als Jungen haben einen hohen Bildungsabschluss. Doch dann folgt die geschlechtliche Trennung nach „Männer“- und „Frauen“-Berufen. Und es gibt eine gläserne Decke, auch in den Universitäten, die das berufliche Weiterkommen von Frauen* verhindert.
Lohnarbeit verweigern
Bundesweit rufen Frauen*streikbündnisse auch zur Verweigerung der weiblichen Lohnarbeit auf, die immer noch überwiegend unterbezahlt und unterbewertet ist. Die Verweigerung kann ein tatsächlicher Streik sein, muss es aber nicht. Frauen* werden an diesem Tag verschiedene Möglichkeiten nutzen, um keine Lohnarbeit leisten zu müssen.
Viele erwarten von den Gewerkschaften, dass sie einen Streikaufruf unterstützen. Soweit es aber um nicht tarifierbare Forderungen geht – und das wird auf die meisten zutreffen – würde es sich um einen so genannten politischen Streik handeln. Politische Streiks sind in Deutschland jedoch angeblich verboten. Tatsächlich existiert aber kein Gesetz mit diesem Inhalt. Es gibt nur ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 1952, das seitdem als „herrschende Meinung“ gilt. Und auch nach diesem Urteil hat es hier Streiks für politische Forderungen gegeben. So zum Beispiel 1996, wo die geplante Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf diese Weise abgewehrt worden ist. Mit anderen Worten: Ob ein politischer Streik Sanktionen nach sich zieht oder nicht, ist eine Frage des Kräfteverhältnisses. Es ist ein Verdienst der Frauen*streikbündnisse, dass dieses Thema aktuell wieder diskutiert wird.
Sind wir so viele und haben damit die gesellschaftliche Macht, dass wir für politische Forderungen streiken können, ohne unsere Arbeitsplätze zu gefährden – und nicht zuletzt auch die Arbeitsplätze derjenigen, die unserem Streikaufruf folgen? Ohne die aktive Beteiligung der großen (DGB-)Gewerkschaften werden wir diese Macht nicht bekommen.
Was tun?
Es funktioniert nicht, an „die Gewerkschaften“ zu appellieren, dass sie ihre Mitglieder zum Streik aufrufen sollen. Oder sie von außen so unter Druck zu setzen, dass sie den Streik unterstützen müssen.
Nur eine breite Basis in den Gewerkschaften selbst kann die Stärke entwickeln, die nötig ist, um hier die Machtfrage zu stellen und ein umfassendes Streikrecht politisch durchzusetzen.
So sind die verschiedenen Solidaritätserklärungen von ver.di und der GEW und ihre Aufrufe zur Teilnahme an Frauen*streikaktionen aktiven Mitgliedern dieser Gewerkschaften zu verdanken. Sie haben ihre Sympathie und ihre Begeisterung für den Frauen*streik in ihre Gewerkschaften hineingetragen und damit bei ihren Kolleginnen offenkundig einen Nerv getroffen.
In weiten Teilen Deutschlands beziehen sich ganz unterschiedliche Frauen* gemeinsam auf dieselben Ziele und dieselben Symbole. Eine Bewegung, die vor mehr als fünf Jahren ganz klein begann, hat nun Ansätze von Strukturen gebildet. Dieses neu Entstandene, noch Fragile, gilt es zu erhalten und aufzubauen, damit wir mit der Zeit stärker werden. Um morgen so machtvoll zu sein, dass tatsächlich die Welt still steht, weil wir streiken.
Was tun!
Heute schon können wir uns gemeinsam gegen die aktuellen Angriffe auf unsere erkämpften Rechte wehren und unsere berechtigten Forderungen stellen – und das nicht nur zum 8. März.
Überdies ist der Frauen*streik mit seinem klar internationalistischen und antirassistischen Profil ein lebhafter Aus- druck internationaler Solidarität.
Der Frauen*streiktag selbst bietet zahlreiche Möglichkeiten, sich zu beteiligen, mit den unterschiedlichsten Formen der Arbeitsverweigerung und des Protests. Auf der bundesweiten Website www.frauenstreik.org findet ihr neben dem Aufruf viele Ideen und Infos dazu.
Frauen und Queers* auf der ganzen Welt rufen: Wir streiken!
Schließt euch an!