C. H.
Vom 3. bis 5. Mai gab es zum zweiten Mal ein bundesweites Vernetzungstreffen der Initiativen und lokalen Bündnisse gegen Pflegenotstand, diesmal in Düsseldorf.
Der Zusammensetzung entsprechend war die Konferenz sehr NRW-geprägt. Das war nicht unbedingt ein Manko, denn es gab viel Bedarf, die Vernetzung der lokalen Initiativen dieses bevölkerungsreichsten Bundeslandes besser miteinander zu vernetzen. Ein großes Thema dabei war, ob auch in NRW ein Volksbegehren angestrebt werden sollte.
Urteil gegen Volksbegehren in Hamburg
Das könnte nach den Ereignissen in Hamburg nun wohl überholt sein. Dort hatte das Landesverfassungsgericht am 7. Mai sein Urteil verkündet. Demzufolge hätten die Länder gar keine Gesetzgebungskompetenz, die beim Bund läge. Dieser habe sie auch durch das „Pflegepersonalstärkungsgesetz“ wahrgenommen.
Interessant bei diesem Urteil ist, dass die „herrschende Meinung“ im juristischen Schrifttum genau anders argumentiert. Daran sind Gerichte allerdings nicht gebunden. Andere Landesverfassungsgerichte (z.B. in Bayern, Bremen und Berlin) könnten zu anderen Urteilen kommen, was ein niedliches rechtliches Kuddelmuddel zur Folge hätte. Das kann jedoch getrost den JuristInnen überlassen bleiben.
Die politischen Folgen sind es, die interessieren. Das Hamburger Urteil ist ein Rückschlag für alle Initiativen und wird auch die Diskussion in NRW beeinflussen. Es ließe sich jetzt darüber diskutieren, ob die Hamburger Initiative einen taktischen Fehler gemacht und das Volksbegehren zu früh eingereicht hat. Diese Diskussion wäre freilich derzeit rein theoretisch.
Wie weiter nach dem Urteil?
Die praktische Frage ist natürlich, wie die Initiativen angesichts dieser Lage weiter machen können. Das führt zu einem Paradox. Dem Hamburger Urteil lässt sich durchaus etwas für die Initiativen abgewinnen. Das Ziel war ja von vornherein, eine bundesweite Gesetzgebung zu einer vernünftigen Personalbemessung zu erreichen. „Volksbegehren“ und „Volksentscheid“ auf Landesebene sind ja eine Notlösung, weil es diese Instrumente eben auf Bundesebene nicht gibt. Dieses Urteil stellt also klar, wo die politische Verantwortung liegt.
Die Initiativen sind jetzt gezwungen, ihre Instrumentenkästen neu zu sortieren. Das heißt, sich auf die Ursprünge zu besinnen. Ursprünglich waren die Initiativen entstanden, um Arbeitskämpfe für Entlastungstarifverträge zu unterstützen.
Diese Arbeitskämpfe haben Besonderheiten, die einen zweiten Blick lohnen. Sie stellen eine Forderung auf, die tief in die „unternehmerische Freiheit“ eingreift. Sie haben Selbstorganisationsstrukturen hervorgebracht, und sie setzen das Problem der Kontrolle der Ergebnisse auf die Tagesordnung. Eine Mischung, die recht explosiv sein kann. Denn es ist vollkommen logisch und einsichtig, dass die Selbstorganisation der Beschäftigten diese Kontrolle durchführen soll.
Mag sein, dass das Hamburger Verfassungs- gericht den Herrschenden einen schlechten Dienst erwiesen hat.
Wichtig ist auch, dass der ver.di-Apparat sich gegenüber der Bewegung nicht einheitlich verhält. Teilweise gehen deren Forderungen über das hinaus, was die Hauptamtlichen für richtig halten. Es gibt zudem Initiativen, die gegen den Willen von Teilen des ver.di-Apparats ihre Unterstützungsarbeit leisten.
Aktion „Olympischer Brief“
Ein weiteres großes Thema waren die geplanten Aktivitäten zur Konferenz der GesundheitsministerInnen am 5. Juni in Leipzig. Durch die Krankenhäuser ist deshalb bundesweit ein „Olympischer Brief“ unterwegs, der dann im Rahmen einer spektakulären Aktion den PolitikerInnen übergeben werden soll. Die Rundreise dieses Briefs ist ein Mittel, die Organisationsstrukturen der Beschäftigten und ihr Selbstbewusstsein zu stärken.
In einer AG wurde die Aktion sehr detailliert vorbereitet. Die Unterschriftenrollen werden abgefilmt, was einen Film von ca. 30 Minuten Länge ergibt.
Bessere Vernetzung der Bündnisse
Eine weitere Aufgabe ist die Gründung von weiteren Initiativen oder lokalen Bündnissen: Es gibt bundesweit mindestens 20 Bündnisse. An vielen weiteren Orten finden sich nun Beschäftigte und „zukünftige PatientInnen“ in Form von Verbänden oder politischen Organisationen zusammen, um etwas für mehr Personal im Krankenhaus zu unternehmen.
Der Film „Der Marktgerechte Patient“, der die Krankenhauszustände deutlich darstellt und gleichzeitig zur Gegenwehr motiviert, wird von vielen Bündnissen als politisches Instrument eingesetzt.
Die Bündnisse haben weitere konkrete, organisatorische Schritte unternommen, um ihre bundesweite Struktur zu festigen. Sie haben sich über ihre lokalen Aktivitäten und Erfahrungen ausgetauscht. Das wird hoffentlich dazu führen, dass die Handlungs- fähigkeit aller lokalen bzw. regionalen Initiativen verbessert wird.
Die ungekürzte Fassung dieses Artikels ist in der SoZ 06/2019 erschienen. Siehe www.sozonline.de.