Die Bal­la­de vom Wasserrad

Die Bal­la­de vom Wasserrad

1
Von den Gro­ßen die­ser Erde
mel­den uns die Heldenlieder:
Stei­gend auf so wie Gestirne
gehn sie wie Gestir­ne nieder.
Das klingt tröst­lich, und man muss es wissen.
Nur: für uns, die sie ernäh­ren müssen
ist das lei­der immer ziem­lich gleich gewe­sen.
Auf­stieg oder Fall: Wer trägt die Spesen?

Frei­lich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Was­ser unten heißt das lei­der nur: Dass es das Rad halt ewig treibt.

2
Ach, wir hat­ten vie­le Herren
hat­ten Tiger und Hyänen
hat­ten Adler, hat­ten Schweine
doch wir nähr­ten den und jenen.
Ob sie bes­ser waren oder schlimmer:
Ach, der Stie­fel glich dem Stie­fel immer
und uns trat er. Ihr ver­steht: Ich meine
dass wir kei­ne andern Her­ren brau­chen, son­dern keine!

Frei­lich dreht das Rad sich immer weiter
dass, was oben ist, nicht oben bleibt.
Aber für das Was­ser unten heißt das lei­der nur: Dass es das Rad halt ewig treibt.

3
Und sie schla­gen sich die Köpfe
blu­tig, rau­fend um die Beute
nen­nen and­re gie­ri­ge Tröpfe
und sich sel­ber gute Leute.
Unauf­hör­lich sehn wir sie ein­an­der grol­len und bekämpfen. 
Ein­zig und alleinig 
wenn wir sie nicht mehr ernäh­ren wollen
sind sie sich auf ein­mal völ­lig einig.

Denn dann dreht das Rad sich nicht mehr wei­ter und das heit­re Spiel, es unterbleibt
wenn das Was­ser end­lich mit befreiter
Stär­ke sei­ne eig­ne Sach betreibt.

zitiert nach Ber­told Brecht, Das Was­ser­rad, 1934

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, April/Mai 2018
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