Alina Fuchs
Als mir im Juli 2019 ein Mitglied der rechten Partei Junges Duisburg erklärte, dass Fridays for Future den Sozialismus auf die Straße bringen wolle, habe ich den Mann für vollkommen meschugge gehalten. Ein Klimaleugner, der Parallelen zwischen einer Umweltbewegung und der Kulturrevolution (!) zieht, eine ärgerliches Vorkommnis, aber nicht weiter wichtig. Trotzdem hatte ich persönlich für die nächsten Monate eine Abneigung gegen jedes entschieden sozialistische Auftreten. Man muss diesen Spinnern ja nicht auch noch die Waffen in die Hand geben, dachte ich mir.Mittlerweile hat sich einiges geändert.
Von vorne: Als im Februar letzten Jahres zum ersten Mal eine FfF-Demo in Duisburg stattfand, waren die Teilnehmerzahlen hoch, fast ausschließlich Gymnasiasten vertreten und Systemkritik quasi nicht vorhanden. Eine eher unterschwellige „sozialdemokratische“ Wut auf die Großindustriellen war aber durchaus gegeben und spiegelte sich auch in Reden und Parolen wider, die aber allesamt mehr linksliberal als tatsächlich antikapitalistisch waren. Es erschien auch nicht so, als würde sich das demnächst ändern. Was einerseits an Forderungen wie der CO2-Steuer, andererseits an der Art und Weise wie unser Hauptorganisator die MLPD (vollkommen rechtmäßig, aber leider mit der Begründung, dass sie linksradikal ist) abgebügelt hat, lag.
Dass der Kapitalismus unseren Zielen aber nicht gerade zuträglich ist, war damals schon den allermeisten klar, und 2019 wie heute habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich nahezu alle FfFler als antikapitalistisch einstufen.
Mit der Zeit kam das immer mehr zum Vorschein, die Parolen änderten sich.
„Brecht die Macht der Energiekonzerne!“, riefen wir jetzt.
Nach den Sommerferien brachen die Teilnehmerzahlen ein.
Beim Klimastreik am 20.09.19 erreichten sie aber ein neues Hoch, und der Antikapitalismus seine bisher deutlichste Form. Ich hatte zwar bei den Organisationstreffen eigentlich, mit dem Erlebnis im Juli im Gedächtnis, gegen offen sozialistische Positionen plädiert („Ich unterstütze das grundsätzlich, aber dann wird die gemäßigte Öffentlichkeit den Rechten ihre Propaganda aus der Hand fressen.“), gab mich aber letztenendes geschlagen und habe mich dann auch mehr über unseren Organisator von der Grünen Jugend geärgert, der nicht müde wurde zu betonen, dass der Referent von Young Struggle aus antikapitalistischer Sicht spricht, als wäre das etwas wovon man sich besser distanziert.
Die Rede von Young Struggle erntete dennoch eine Menge Jubel, Applaus und Zustimmung, worüber selbst der Redner (freudig-)überrascht schien und mir im Vorbeigehen zurief: „Ich schlage Planwirtschaft vor und ihr jubelt alle, seid ihr alle Genossen geworden?“
„Aber klar doch!“, rief ich zurück.
Die Sache mit dem Jubel könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass das Wort „Planwirtschaft“ niemals ausgesprochen wurde.
Die Kapitalismuskritik war aber mehr als offensichtlich, daher kann man davon ausgehen, dass die Begeisterung der Zuhörer etwas aussagt.
Bei der eigentlichen Demonstration gab es einen antikapitalistischen Block.
Dazu kam die Beteiligung von der IG Metall und anderen Gewerkschaften, die als antikapitalistisch zu bezeichnen zwar falsch wäre, aber trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Der antikapitalistische Block hat sich zwar in seiner organisierten Form am 29.11.19 nicht wiederholt, da eine beteiligte Organisation einer anderen vorwarf, sich zu sehr in den Vordergrund zu drängen, war aber de facto wieder vorhanden, gleichzeitig war die Teilnehmerzahl im Vergleich zum 20.09.19 gesunken.
Revolutionäre Rhetorik wurde häufiger und offensichtlicher, mittlerweile befürwortete auch ich ein offensiveres Auftreten, trotz der Widerstände Einzelner, die begannen, sich über zu viel Kommunismus im Orga-Team zu beklagen.
Gleichzeitig blieb die Anzahl Aktiver deprimierend niedrig, aber das Klientel wurde radikaler. Im Prinzip fingen die Gemäßigten an abzuspringen und sich wieder für andere Dinge zu interessieren, während wir geblieben sind, mit Young Struggle als Rückgrat.
„A-Anti-Anticapitalista“ ist mittlerweile Standardparole, auf der eher stillen letzten Demo kam „Hinterm Klimawandel steht das Kapital“ dazu, plus zwei rote Fahnen, mitgebracht vom Offenen Antifaschistischen Treffen Duisburg.
Den Sozialismus wollten relativ wenige auf die Straße bringen.
Er blieb einfach zurück, in Form der Kämpfer, der Überzeugten, der Unermüdlichen, die sich nicht haben unterkriegen lassen.