Fri­days for Future und Anti­ka­pi­ta­lis­mus Erfah­run­gen und Ent­wick­lun­gen­des letz­ten Jah­res in Duisburg

Ali­na Fuchs

Fridays for Future-Demo in Oberhausen, März 2019. Foto: R. Hoffmann.

Fri­days for Future-Demo in Ober­hau­sen, März 2019. Foto: R. Hoffmann.

Als mir im Juli 2019 ein Mit­glied der rech­ten Par­tei Jun­ges Duis­burg erklär­te, dass Fri­days for Future den Sozia­lis­mus auf die Stra­ße brin­gen wol­le, habe ich den Mann für voll­kom­men meschug­ge gehal­ten. Ein Kli­ma­leug­ner, der Par­al­le­len zwi­schen einer Umwelt­be­we­gung und der Kul­tur­re­vo­lu­ti­on (!) zieht, eine ärger­li­ches Vor­komm­nis, aber nicht wei­ter wich­tig. Trotz­dem hat­te ich per­sön­lich für die nächs­ten Mona­te eine Abnei­gung gegen jedes ent­schie­den sozia­lis­ti­sche Auf­tre­ten. Man muss die­sen Spin­nern ja nicht auch noch die Waf­fen in die Hand geben, dach­te ich mir.Mittlerweile hat sich eini­ges geändert.

Von vor­ne: Als im Febru­ar letz­ten Jah­res zum ers­ten Mal eine FfF-Demo in Duis­burg statt­fand, waren die Teil­neh­mer­zah­len hoch, fast aus­schließ­lich Gym­na­si­as­ten ver­tre­ten und Sys­tem­kri­tik qua­si nicht vor­han­den. Eine eher unter­schwel­li­ge „sozi­al­de­mo­kra­ti­sche“ Wut auf die Groß­in­dus­tri­el­len war aber durch­aus gege­ben und spie­gel­te sich auch in Reden und Paro­len wider, die aber alle­samt mehr links­li­be­ral als tat­säch­lich anti­ka­pi­ta­lis­tisch waren. Es erschien auch nicht so, als wür­de sich das dem­nächst ändern. Was einer­seits an For­de­run­gen wie der CO2-Steu­er, ande­rer­seits an der Art und Wei­se wie unser Haupt­or­ga­ni­sa­tor die MLPD (voll­kom­men recht­mä­ßig, aber lei­der mit der Begrün­dung, dass sie links­ra­di­kal ist) abge­bü­gelt hat, lag.
Dass der Kapi­ta­lis­mus unse­ren Zie­len aber nicht gera­de zuträg­lich ist, war damals schon den aller­meis­ten klar, und 2019 wie heu­te habe ich die Erfah­rung gemacht, dass sich nahe­zu alle FfF­ler als anti­ka­pi­ta­lis­tisch einstufen.

Mit der Zeit kam das immer mehr zum Vor­schein, die Paro­len änder­ten sich.
„Brecht die Macht der Ener­gie­kon­zer­ne!“, rie­fen wir jetzt.
Nach den Som­mer­fe­ri­en bra­chen die Teil­neh­mer­zah­len ein.
Beim Kli­ma­streik am 20.09.19 erreich­ten sie aber ein neu­es Hoch, und der Anti­ka­pi­ta­lis­mus sei­ne bis­her deut­lichs­te Form. Ich hat­te zwar bei den Orga­ni­sa­ti­ons­tref­fen eigent­lich, mit dem Erleb­nis im Juli im Gedächt­nis, gegen offen sozia­lis­ti­sche Posi­tio­nen plä­diert („Ich unter­stüt­ze das grund­sätz­lich, aber dann wird die gemä­ßig­te Öffent­lich­keit den Rech­ten ihre Pro­pa­gan­da aus der Hand fres­sen.“), gab mich aber letz­ten­en­des geschla­gen und habe mich dann auch mehr über unse­ren Orga­ni­sa­tor von der Grü­nen Jugend geär­gert, der nicht müde wur­de zu beto­nen, dass der Refe­rent von Young Strugg­le aus anti­ka­pi­ta­lis­ti­scher Sicht spricht, als wäre das etwas wovon man sich bes­ser distanziert.

Die Rede von Young Strugg­le ern­te­te den­noch eine Men­ge Jubel, Applaus und Zustim­mung, wor­über selbst der Red­ner (freudig-)überrascht schien und mir im Vor­bei­ge­hen zurief: „Ich schla­ge Plan­wirt­schaft vor und ihr jubelt alle, seid ihr alle Genos­sen geworden?“
„Aber klar doch!“, rief ich zurück.
Die Sache mit dem Jubel könn­te aller­dings auch damit zusam­men­hän­gen, dass das Wort „Plan­wirt­schaft“ nie­mals aus­ge­spro­chen wurde.
Die Kapi­ta­lis­mus­kri­tik war aber mehr als offen­sicht­lich, daher kann man davon aus­ge­hen, dass die Begeis­te­rung der Zuhö­rer etwas aussagt.
Bei der eigent­li­chen Demons­tra­ti­on gab es einen anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Block.

Dazu kam die Betei­li­gung von der IG Metall und ande­ren Gewerk­schaf­ten, die als anti­ka­pi­ta­lis­tisch zu bezeich­nen zwar falsch wäre, aber trotz­dem ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung ist.
Der anti­ka­pi­ta­lis­ti­sche Block hat sich zwar in sei­ner orga­ni­sier­ten Form am 29.11.19 nicht wie­der­holt, da eine betei­lig­te Orga­ni­sa­ti­on einer ande­ren vor­warf, sich zu sehr in den Vor­der­grund zu drän­gen, war aber de fac­to wie­der vor­han­den, gleich­zei­tig war die Teil­neh­mer­zahl im Ver­gleich zum 20.09.19 gesunken.
Revo­lu­tio­nä­re Rhe­to­rik wur­de häu­fi­ger und offen­sicht­li­cher, mitt­ler­wei­le befür­wor­te­te auch ich ein offen­si­ve­res Auf­tre­ten, trotz der Wider­stän­de Ein­zel­ner, die began­nen, sich über zu viel Kom­mu­nis­mus im Orga-Team zu beklagen.

Gleich­zei­tig blieb die Anzahl Akti­ver depri­mie­rend nied­rig, aber das Kli­en­tel wur­de radi­ka­ler. Im Prin­zip fin­gen die Gemä­ßig­ten an abzu­sprin­gen und sich wie­der für ande­re Din­ge zu inter­es­sie­ren, wäh­rend wir geblie­ben sind, mit Young Strugg­le als Rückgrat.
„A-Anti-Anti­ca­pi­ta­lis­ta“ ist mitt­ler­wei­le Stan­dard­pa­ro­le, auf der eher stil­len letz­ten Demo kam „Hin­term Kli­ma­wan­del steht das Kapi­tal“ dazu, plus zwei rote Fah­nen, mit­ge­bracht vom Offe­nen Anti­fa­schis­ti­schen Tref­fen Duisburg.

Den Sozia­lis­mus woll­ten rela­tiv weni­ge auf die Stra­ße bringen.
Er blieb ein­fach zurück, in Form der Kämp­fer, der Über­zeug­ten, der Uner­müd­li­chen, die sich nicht haben unter­krie­gen lassen.

aus der Avan­ti O., Jan. -Mrz. 2020
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