SPD wählt eige­ne Dezer­nen­tin ab – aber warum?

Das not­wen­di­ge Ver­trau­en ist nicht mehr vor­han­den“, begrün­det SPD-Rats­frak­ti­ons­chef Wolf­gang Gro­ße Brö­mer den Antrag auf Abbe­ru­fung der Bei­geord­ne­ten Elke Münich.

Andrea-Cora Walt­her*

Nach­dem also die Ober­hau­se­ner Bür­ge­rIn­nen deut­lich gemacht haben, dass „das not­wen­di­ge Ver­trau­en in die SPD nicht mehr vor­han­den ist“, und immer weni­ger von ihnen sie wäh­len, sägen die jetzt noch im Rat ver­blie­be­nen Volks­ver­tre­te­rIn­nen der Par­tei eine von vier SPD-Dezer­nen­tIn­nen ab.
Aber war­um jetzt die­ser Schritt? Aus den bis­he­ri­gen Stel­lung­nah­men erschließt es sich nicht. Es muss was mit Wahl­tak­tik zu tun haben? Viel­leicht eine Gro­ko für das Ober­hau­se­ner Par­la­ment vor­be­rei­ten, das ers­te Bau­ern-Opfer brin­gen und dem poten­ti­el­len Gro­ko-Part­ner CDU Ver­wal­tungs­füh­rungs­po­si­tio­nen schenken?

Ich ver­ste­he nichts von inter­nen Vor­gän­gen und Wahl­tak­tik in gro­ßen Volks­par­tei­en – ich war noch nie in einer. Aber ich ver­ste­he was von Zah­len: Die Abbe­ru­fung der SPD-Dezer­nen­tin zum jet­zi­gen Zeit­punkt kos­tet die Bür­ge­rIn­nen die­ser Stadt lan­ge 2,5 Jah­re ein Gehalt von sicher­lich über 200.000,00 Euro – ohne Nut­zen. Ein Mensch, hoch­qua­li­fi­ziert und kom­pe­tent, wird in den Ruhe­stand geschickt, um ver­letz­tes Ver­trau­en der SPD-Genos­sIn­nen zum Aus­druck zu bringen.

Ken­nen wir das nicht?
Ruth Dame­ri­us – Sozialdezernentin/Stadtdirektorin – 1998 beur­laubt von die­sem Pos­ten. Sie deck­te ihre städ­ti­schen Mit­ar­bei­te­rIn­nen, die jah­re­lang Unter­halts­leis­tun­gen für Asyl­be­wer­be­rIn­nen mit dem Land abrech­ne­ten, die gar nicht mehr in Ober­hau­sen wohn­ten und füll­te so – zu Unrecht – die Stadt­kas­se mit Lan­des­mit­teln. Sie muss­te gehen – gera­de mal 46 Jah­re alt damals – und lan­de­te weich in den Armen der AWO in Geschäftsführungsposition.
Ande­re Füh­rungs­kräf­te schei­tern an der Auf­ga­be, Mit­ar­bei­te­rIn­nen zu über­wa­chen, die Mobil­te­le­fo­ne in der Grö­ßen­ord­nung eines Groß­han­dels ordern, müs­sen Bau­kos­ten vom Job-Cen­ter ver­viel­fa­chen oder schei­tern an der recht­zei­ti­gen Ein­rei­chung von För­der­geld­an­trä­gen von 2 Mil­lio­nen Euro für eine Neu­ge­stal­tung des Altenbergparks.

Wirk­li­che Kon­se­quen­zen auf der Füh­rungs­ebe­ne haben die­se man­gel­haf­ten Geschäfts­füh­run­gen nicht. Also ist der Ruf nach der Abbe­ru­fung jetzt ein Signal, Ver­ant­wor­tung der Lei­tungs­ebe­ne ab jetzt auch auf der Lei­tungs­ebe­ne zu lösen?
Die inhalt­li­chen Vor­wür­fe, die jetzt genannt wer­den, sind im Wesent­li­chen gar nicht von Elke Münich zu ver­ant­wor­ten. Die Umge­stal­tung der Berei­che Jugend-Sozia­les-Schu­le zu einem Dezer­nat geht zurück auf ein Gut­ach­ten der Fir­ma Con­sens. Das hat­te sie nicht infra­ge zu stel­len, son­dern umzu­set­zen. Und sie über­zeug­te durch ihr Auf­tre­ten von Anfang an als jemand, die „sehr kom­pe­tent ist und kei­ne Ant­wort schul­dig blieb“. Auf einer ande­ren Ebe­ne wur­de geju­belt, sie habe „dicke Eier“ – na ja, was immer das bei einer Frau aus der Sicht von Män­nern betrach­tet, hei­ßen mag.
Da stand sie dann am 01.01.2014 mit meh­re­ren Mam­mut-Auf­ga­ben und einem Team, „bei dem vie­le wich­ti­ge Stel­len unbe­setzt waren“, und das sie wei­ter ein­zu­spa­ren hat­te. Und ich bin ihr unend­lich dank­bar, dass sie das ver­blie­be­ne Per­so­nal in der Unter­halts­vor­schuss­stel­le gewäh­ren ließ und die­se den allein­er­zie­hen­den Eltern­tei­len das Geld zeit­nah aus­zahl­ten. Und dass sie sie nicht anwies, sich auf das Rück­ho­len des Gel­des bei dem ande­ren Eltern­teil zu kon­zen­trie­ren. Und wer hat bei der „Orga­ni­sa­ti­on der Unter­künf­te für Flücht­lin­ge“ nicht „den Über­blick ver­lo­ren“? In ganz Deutschland?

Bedau­er­lich fin­de ich, dass vie­le Mit­ar­bei­te­rIn­nen in der Ver­wal­tung, die in den Berei­chen arbei­ten, für die Elke Münich zustän­dig ist, rück­mel­den, dass Gesprä­che auf Augen­hö­he kaum mög­lich sind, und Hier­ar­chie und Dienst­weg eine höhe­re Prio­ri­tät haben, als Mit­ar­bei­te­rIn­nen sich wün­schen, und ich sie ver­mut­lich für wün­schens­wert hal­ten wür­de. Aber das ist nicht das, was das Ver­trau­en der Par­tei-Genos­sIn­nen erschüt­tert hat.
Viel­leicht ist sie im „per­sön­li­chen Umgang“ mit den nun ent­schei­den­den Par­tei­ge­nos­sIn­nen „schwie­rig, stur und unfle­xi­bel“. Das kann ich nicht beur­tei­len. Aber in der Zusam­men­ar­beit auf den Ebe­nen, auf denen ich mit ihr zu tun habe, hat sie Lern­fä­hig­keit bewie­sen. Hat dann selbst Ver­samm­lun­gen von Anwoh­ne­rIn­nen ver­an­stal­ten las­sen, bevor Gemein­schafts­un­ter­künf­te für die Neu­zu­ge­wan­der­ten gebaut wur­den; hat die Stel­le einer „Flücht­lings­be­auf­trag­ten“ befür­wor­tet und ihr als eine der Auf­ga­ben über­tra­gen, mit den zahl­rei­chen ehren­amt­li­chen Unter­stüt­zungs-Sys­te­men für Neu Zuge­wan­der­te in regel­mä­ßi­gen Aus­tausch zu tre­ten. Was auch mehr und mehr dazu geführt hat, dass gera­de in dem Bereich, der andern­orts noch zu viel Rei­bungs­ver­lust führt, bei uns in Ober­hau­sen eine Zusam­men­ar­beit von Ehren­amt­li­chen und Haupt­amt­li­chen zuguns­ten der Neu­zu­ge­wan­der­ten mög­lich wur­de, die weit über Ober­hau­sen hin­aus Aner­ken­nung fin­det und bei­spiel­haft ist.

Und sie ist nicht für die feh­len­den Kita-Ein­rich­tun­gen und die Kita-Unter­fi­nan­zie­rung ver­ant­wort­lich, nicht für die maro­den Schul­ge­bäu­de in Ober­hau­sen, nicht für die feh­len­den Leh­re­rIn­nen, nicht für die man­gel­haf­ten Bedin­gun­gen bei der Umset­zung von Inklu­si­on in Schu­len, nicht für die feh­len­den Plät­ze für Frau­en, die Gewalt aus­ge­setzt, im Frau­en­haus abge­wie­sen wer­den, und auch nicht für die schlech­te Luft hier in der Stadt. Das hat Poli­tik in Bund, Land und Kom­mu­ne zu ver­ant­wor­ten, die seit Jah­ren Poli­tik nicht für die Men­schen macht.

Eine sol­che Abbe­ru­fung hat Elke Münich nicht ver­dient. Und die sofor­ti­ge Voll­zie­hung die­ser Abbe­ru­fung scha­det den Stadt­fi­nan­zen, scha­det dem Ruf der Amts­füh­rung der städ­ti­schen Ver­wal­tung ins­ge­samt und scha­det nicht zuletzt auch der SPD als Par­tei, die es nicht wirk­lich geschafft hat, Grün­de zu ver­mit­teln, die die­sen Schritt auch in der weni­ger-infor­mier­ten Öffent­lich­keit nach­voll­zieh­bar wer­den lassen.
Ob sich dadurch für die Men­schen hier in Ober­hau­sen vor Ort etwas verbessert?
Na ja, aber das war ja auch nicht die Begrün­dung der SPD-Genos­sIn­nen für die Abbe­ru­fung ihrer Dezernentin.

* Andrea-Cora Walt­her ist Mit­glied im Rat der Stadt Ober­hau­sen und Mit­glied der Wäh­ler­ge­mein­schaft Bür­ger­lis­te Ober­hau­sen. Ihr Bei­trag ist datiert vom 29.04.2019. Am 20.05.2019 hat der Rat der Abbe­ru­fung von Elke Münich mit den Stim­men von SPD, CDU und Grü­nen mehr­heit­lich zugestimmt.

aus der Avan­ti O.  Juni 2019
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