ES REICHT
8,22 Prozent der Wahlberechtigten beteiligten sich am 13. September 2020 an der Wahl zum Oberhausener Integrationsrat, in Zahlen ganze 3.001 Menschen. 1.818 davon machten ihr Kreuz bei der Liste „Team Oberhausen“. Die Liste wird zukünftig mit 14 Menschen im Integrationsrat vertreten sein, als mit Abstand größte Fraktion. Ein guter Grund, sich genauer damit zu beschäftigen, wer zukünftig in diesem Gremium Diskussionen führen und Entscheidungen treffen soll.
Angeführt wird die Liste vom langjährigen SPD-Sozialpolitiker Ercan Telli – wie auch schon in den vergangenen Wahlperioden. Die Liste „Team Oberhausen“ firmierte bis dato unter dem Label „Internationale Liste / Türkisch Muslimische Liste“ (IL/TML).
Auf Listenplatz 2 steht, ebenfalls wie ehedem, der Unternehmer Muhammet Erdoğan. Auf seiner Facebookpräsenz zeigt er sich nicht nur als Anhänger des Autokraten Recep Tayyip Erdoğan, er teilte auch regelmäßig Beiträge der MHP-nahen QAnon-Seite „AntiQemalizt“. Die MHP ist eine offen faschistische Partei, die gemeinsam mit der AKP von Präsident Erdoğan die türkische Regierung stellt.
Ein weiterer Schwerpunkt seiner Social-Media-Publikationen bildet ein Sammelsurium der verschwörungstheoretischen Rechten, wie z.B. KEN FM oder Beiträge über die Demonstrationen der „Corona-Rebellen“.
Auf Listenplatz 5 findet sich Recep Kocaoglu vom Verband der islamischen Kulturzentren VIKZ, seit Jahren der Vorsitzende der Moscheegemeinde an der Fahrnhorststraße und seit Jahren Mitglied des Integrationsrates. Der VIKZ vertritt eine reaktionär sunnitische Auslegung des Islam.
Ditib stark vertreten
Ebenfalls prominent vertreten ist der Dachverband Ditib. Dieser ist direkt der Religionsbehörde Diyanet und damit der türkischen Regierung unterstellt. Ditib-Imame fielen u.a. dadurch auf, dass sie nach dem behaupteten Putschversuch in der Türkei 2016 Listen vermeintlicher Regierungskritiker*innen zusammenstellten und an die türkischen Verfolgungsbehörden übermittelten.
Die Folgen, Verhaftungen bei Einreiseversuchen und lange U-Haft-Zeiten, sind allgemein bekannt.
Die Oberhausener Ditib-Jugend fällt durch radikale Verlautbarungen auf. In den sozialen Medien laden sie Videos ihrer Sobhet (Schulungseinheiten, in diesem Fall ausschließlich für männlich gelesene Teilnehmende), vornehmlich in deutscher Sprache, hoch.
Diese werden zumeist von Bilal Koçan, Chef der Jugendabteilung, geleitet. Sein Sprachduktus und seine Argumentation erinnern an salafistische Prediger. Gerne reckt er auch den ausgestreckten Zeigefinger in die Höhe. Die Geste erlangte beim sogenannten „Islamischen Staat“ traurige Berühmtheit. Koçan fiel auch als Sänger der der „IYI-Parti“ nahestehenden Band „Grup Dirilis“ („Gruppe Auferstehung “) sowie durch Teilnahme an Veranstaltungen des faschistischen Türkischen Kulturvereins „Oberhausen Türk Kültür Ocaği (OTKO)“ auf. Es gibt Fotos, die ihn als Vorbeter während eines Märtyrergedenkens der männlichen OTKO-Jugend sowie unter dem Foto des Gründers der Partei MHP und bekennenden Hitlerverehrers, Alparslan Türkeş, zeigen.
Platz 6 der Liste „Team Oberhausen“ ist Ünal Ilhan vorbehalten, intensiv engagiert in den Oberhausener Ditib-Gemeinden sowie auf Ditib-Landesebene. Auch Ilhan ist schon seit 2014 Mitglied des Integrationsrates.
Ilhan, der sich selbst als „Sohn des Vezirs“ bezeichnet, zeigt in den sozialen Medien offen seine Sympathien für das türkische Regime und dessen Machenschaften. Er nimmt regelmäßig an Veranstaltungen von Ditib-Gemeinden teil, oftmals auch als Funktionär. Die inhaltliche Spannweite reicht dabei von Unverfänglichem über Gedenkveranstaltungen für „Märtyrer“ bis hin zum Besuch Erdoğans, damals türkischer Premierminister, in Düsseldorf am 27.02.2014.
Verbindung zu „Grauen Wölfen“
Der Zusammenhang der Liste „Team Oberhausen“ mit den „Grauen Wölfen“ wäre auch noch zu analysieren. Diese spalten sich in verschiedene Parteien/Vereine auf. Zum Beispiel in „Oberhausen Türk Kültür Ocaği“, der der Partei MHP nahe steht und den „Oberhausen Ufuk Kültür Denerği“, der der IYI Partei nahe steht.
Der „Oberhausen Ufuk Kültür Denerği“ hat gleich zwei Plätze auf der Liste „Team Oberhausen“ bekommen. Yakup Sunar, Listenplatz 10, war 2018/19 stellvertretender Vorsitzender diese Vereins. Ismail Ocak, Listenplatz 21, ist dort ebenso Mitglied.
Auf Platz 19 der Liste „Team Oberhausen“ kandidiert mit Mehmet Demirkoparan der Vorsitzende der Jugendabteilung der „Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş“ Oberhausen (IGMG), welche sich zur Ideologie Necmettin Erbakans bekennt, eines Islamisten und Antisemiten. Schon in der Vergangenheit wurden junge Menschen auf aussichtslose Listenplätze gesetzt, um sie an die Arbeit heran zu führen, und sie dann auf höheren Plätzen antreten zu lassen.
Demirkoparan bekennt sich auf Facebook zu Recep T. Erdoğan, zur MHP und natürlich zu Necmettin Erbakan.
Zahide Derin (Lisenplatz 8) liked sowohl Recep T. Erdoğan als auch die oben erwähnte Oberhausener Band „Grup Dirilis“ von Bilal Koçan.
Auch Sener Dogan (Listenplatz 11) steht treu zu Erdoğan und gegen den „Putsch“ vom Juli 2016.
Behcet Ciftci, Listenplatz 12, liked faschistoide Gruppen wie die oben angeführten.
Fazit
Auf der Liste „Team Oberhausen“ werden reaktionäre islamistische Strukturen repräsentiert, die sich weder mit dem Wahlkampf- spruch „0 % Rassismus 100 % Demokratie“, noch mit den Grundsätzen der freiheitlich demokratischen Grundordnung vereinbaren lassen.
Die minimale Wahlbeteiligung von knapp 8 Prozent lässt darauf schließen, dass der Integrationsrat nicht sonderlich viele Oberhausener Bürger*innen repräsentiert. Auch die Auswahl an Organisationen, die auf der stärksten Liste versammelt ist, unterstreicht dies. Repräsentiert sind konservativ-nationalistische Vereine und Moscheegemeinden und Anhänger*innen der repressiven türkischen Regierung.
Durch diese Umstände sichert sich der SPD-Kommunalpolitiker Ercan Telli die Stimmen der Vereinsmitglieder für seine Liste, einer Liste, die nur 1.818 von rund 36.500 möglichen Stimmen auf sich vereinen konnte.
Es ist nun an den gewählten Vertreter*innen der Demokratischen Immigranten-Liste sowie der Nigeria Voice in Diaspora, einen entsprechenden Umgang mit den Mitgliedern der Liste „Team Oberhausen“ zu finden. Dieser Aufgabe muss sich jedoch auch die SPD Oberhausen stellen, die zumindest mit der Vorgängerliste „Internationale Liste / Türkisch -Muslimische Liste“ in den letzten 15 Jahren eine offizielle Zusammenarbeit pflegte.
Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung des Beitrags „Integrationsrat Oberhausen – wer integriert hier eigentlich was?“, der am 23.10.2020 auf der Website www.esreicht-ob.de veröffentlicht wurde. Unter dem Original-Beitrag findet Ihr Fußnoten mit Links zu weiteren Informationen sowie Screenshots, die die Aussagen im Beitrag belegen. Die Zwischenüberschriften wurden von der Redaktion der Avanti O. eingefügt.
Die abgebildeten Grafiken wurden der Broschüre Niemand kann auf Dauer eine Maske tragen. Codes und Symbolik türkischer Faschisten in Deutschland entnommen.
Herausgegeben vom Bündnis antifaschistischer Strukturen Hessen www.antifabash.noblogs.org.
Link zur Broschüre