Bil­dungs­mi­se­re

 

Die letz­te Haupt­schu­le in Ober­hau­sen wird im Som­mer geschlos­sen. Eine Ent­schei­dung des Rates. Haupt­schü­le­rIn­nen haben es schwer, spä­ter mit ihrem Abschluss einen Aus­bil­dungs­platz zu fin­den. Wird jetzt alles besser?

C. P.

Der Rat hat dazu einen Beschluss gefasst, der nicht befrie­di­gend beant­wor­tet, wie es nun wei­ter­ge­hen soll ohne Haupt­schu­len. Dafür aber legt er das Elend der Bil­dung in Zei­ten des Neo­li­be­ra­lis­mus scho­nungs­los offen.
Nach dem Para­gra­fen 132c des NRW-Schul­ge­set­zes kön­nen zur „Siche­rung von Schul­lauf­bah­nen“ an Real­schu­len Haupt­schul­bil­dungs­gän­ge ein­ge­rich­tet wer­den. Dies sol­len die Ober­hau­se­ner Real­schu­len nun tun. Frei­lich, ohne ent­spre­chend dafür aus­ge­stat­tet zu wer­den. Es feh­len Räu­me, es fehlt Per­so­nal, es gibt kei­ne Küche, in der das Fach Haus­wirt­schaft unter­rich­tet wer­den kann. Haupt- und Real­schu­len ver­fol­gen unter­schied­li­che Bildungskonzepte.
Aber die Schu­len sol­len sehen, wie sie den Beschluss trotz­dem umset­zen. Das sagt viel aus über den Stel­len­wert, der Bil­dung heu­te zuge­stan­den wird. 
Ver­ständ­lich, dass es hier zu Pro­tes­ten kommt. So nutz­ten Leh­re­rIn­nen und Schü­le­rIn­nen der drei Ober­hau­se­ner Real­schu­len eine Sit­zung des Schul­aus­schus­ses im April, um den Aus­schuss-Mit­glie­dern ihren Unmut kundzutun.

Beim Betrach­ten der Fotos von dem Besuch des Schul­aus­schus­ses – und noch mehr bei der Lek­tü­re der Ober­hau­se­ner WAZ vom 27. April – ent­steht jedoch der Ein­druck, dass zumin­dest ein Teil der Pro­tes­tie­ren­den das Pro­blem anders ver­steht als oben beschrieben. 
Mal abge­se­hen von der Fra­ge, ob Kin­der hier nicht instru­men­ta­li­siert wer­den: Anschei­nend haben man­che Eltern und Schü­le­rIn­nen die neo­li­be­ra­le Ideo­lo­gie so stark ver­in­ner­licht, dass ihre größ­te Sor­ge ist, sie könn­ten Kon­kur­renz-Nach­tei­le erlei­den. Wenn begriffs­stut­zi­ge Haupt­schü­le­rIn­nen die Leis­tungs­star­ken im Kampf aller gegen alle um ein paar Plät­ze zurück­wer­fen, ist das natür­lich dra­ma­tisch. Wenn man das so sieht.

Wenn es in Ober­hau­sen genü­gend Plät­ze an Gesamt­schu­len gäbe, könn­te die Fra­ge für alle Betei­lig­ten auf befrie­di­gen­de Wei­se gelöst wer­den. An Gesamt­schu­len kön­nen die Schü­le­rIn­nen wäh­rend ihrer Schul­lauf­bahn ent­schei­den, wel­cher Bil­dungs­weg für sie passt. Und: Wer wel­chen Abschluss macht, hängt immer noch viel zu stark von der sozia­len Her­kunft ab. Gut aus­ge­stat­te­te (!) Gesamt­schu­len kön­nen hier gegen­steu­ern. Real­schü­le­rIn­nen könn­ten gege­be­nen­falls nach der Erpro­bungs­stu­fe an eine Gesamt­schu­le wechseln.

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, April/Mai 2018
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