Sea Life und Legoland Oberhausen gehören zur britischen Merlin Entertainments Group. Diese Unternehmensgruppe möchte anscheinend das Betriebsverfassungsgesetz so weit wie möglich umgehen. Jedenfalls mussten die Beschäftigten der beiden Oberhausener Unternehmen lange um die Anerkennung ihrer betrieblichen Interessenvertretungen kämpfen. Und immer wieder müssen die Betriebsräte ihre Rechte einfordern. Siehe hierzu auch den Artikel in der April/Mai-Ausgabe der Avanti O.. Zuletzt wollte die Geschäftsleitung von Sea Life einem Betriebsratsmitglied fristlos kündigen. Hier ein Bericht über die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Oberhausen:
Arbeitsgericht Oberhausen verweigert die Zustimmung zur Kündigung eines Betriebsratsmitglieds von Sea Life
Petra Stanius, AKUWILL
Nachdem der Gütetermin im Januar dieses Jahres ohne Ergebnis geblieben war, fand am 9. Mai vor der 2. Kammer des Arbeitsgericht Oberhausen das Zustimmungsersetzungsverfahren statt. Mit einem Beschluss des Arbeitsgerichts wollte die Geschäftsführung von Sea Life die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds durchsetzen, zu der der Betriebsrat zuvor seine Zustimmung verweigert hatte.
Der Vorwurf, der dem Kündigungsbegehren der Geschäftsleitung des Aquazoos ursprünglich zugrunde lag, lautete „Selbstbeurlaubung“. Angeblich war das Betriebsratsmitglied eigenmächtig länger bei einem auswärtigen Seminar geblieben und darum verspätet bei der Arbeit erschienen.
Anscheinend war dem Anwalt des Aquazoos früh klar, dass diese Argumentation der Geschäftsleitung zu dünn war. So hatte er schon beim Gütetermin nachgelegt und stattdessen einen Beitrag des Kollegen bei Facebook als den wesentlichen Kündigungsgrund angeführt. Durch diesen Post sollte angeblich das Vertrauensverhältnis des Unternehmens zu dem Kollegen nachhaltig gestört sein.
Für die Verhandlung im Mai hatte der Anwalt von Sea Life nach weiterer Munition gegen den Kollegen gesucht und noch zwei alte Abmahnungen ausgegraben, die zuvor nicht zur Sprache gekommen waren.
„Selbstbeurlaubung“ schnell vom Tisch
Tatsächlich spielte der Vorwurf der „Selbstbeurlaubung“ bei dem Beschlussverfahren kaum mehr eine Rolle. Denn schnell wurde klar, dass der Dienstplan für den Zeitraum, in dem der Kollege angeblich unentschuldigt gefehlt hatte, vom Betriebsrat gar nicht genehmigt und somit auch nicht gültig war.
Da die Abmahnungen Jahre alt und zu völlig anderen Vorwürfen ausgesprochen worden waren, hätten sie hier keine Rolle spielen dürfen. Tatsächlich aber nahm die Debatte über die darin vorgebrachten Vorwürfe viel Raum ein und prägte wahrnehmbar das Bild, das die Richterin sich von dem Kollegen machte.
Da der ursprüngliche Kündigungsgrund der „Selbstbeurlaubung“ vom Tisch war und die Abmahnungen formal unberücksichtigt bleiben mussten, blieb als Hauptvorwurf und möglicher Kündigungsgrund der angeblich öffentliche Post, der an eine geschlossene Facebook-Gruppe mit ca. 120 Mitgliedern ging.
Nach eigener Einschätzung hatte das Gericht nur bruchstückhafte Kenntnisse über Facebook. Das veranlasste es aber nicht dazu, sich vor der Entscheidung kundig zu machen oder eine Person mit Sachkenntnis hinzuzuziehen. Indem die Richter*innen stattdessen von dem ausgingen, was sie glaubten, was richtig ist, ging ihre Unkenntnis faktisch zu Lasten des Betriebsratsmitglieds: Obwohl sie Einwände von Seiten des Betriebsrats gar nicht sachgerecht bewerten konnten, kamen sie zu dem Schluss, dass der Post eine gezielt erfolgte öffentliche Äußerung war.
Getrübter Erfolg
Jedoch war das Gericht nicht bereit, deswegen die Zustimmung des Betriebsrats zur Kündigung zu ersetzen, da es darin keinen ausreichenden Kündigungsgrund sah. Nachdem der Kollege das Angebot einer Abfindung erneut abgelehnt hatte und auch über einen höheren Betrag nicht verhandelt wollte, endete die Verhandlung mit einem Vergleich:
Die Begründung für das Kündigungsbegehren wird umgewandelt in eine Abmahnung, die von dem Betriebsratsmitglied akzeptiert wird. Mit der Abmahnung soll die öffentliche Äußerung gerügt und auch klargestellt werden, dass mit dem gerügten Verhalten alle Äußerungen via „soziale“ Medien, Presse und Rundfunk in die nicht-betriebliche Öffentlichkeit gemeint sind.
Nicht nur, dass dem Kollegen so ein Maulkorb auferlegt und ihm verboten wurde, sich kritisch über fragwürdige Vorgänge bei Sea Life zu äußern. Nach den Erfahrungen aus den vergangenen Jahren sind solche Vorkommnisse, die auch die Öffentlichkeit angehen, in Zukunft weiterhin zu befürchten. Der Anwalt von Sea Life hatte dem Kollegen zudem nahe gelegt, die angebotene Abfindung besser anzunehmen, da dies sonst schon die dritte Abmahnung sei. Und beim nächsten Vorfall würde die Kammer zu einer anderen Entscheidung kommen. Dieser juristisch fragwürdigen und überdies anmaßenden Aussage stimmte die Richterin auch noch zu.
Auch vor dem Hintergrund ähnlich gelagerter Fälle von Betriebsrats-Mobbing kann die Aussage des Anwalts als eine kaum verhohlene Drohung verstanden werden. Es gibt inzwischen zahllose Beispiele, wie Unternehmen Gründe konstruieren, um Betriebsratsmitgliedern fristlos zu kündigen, die sich nicht im Sinne der Geschäftsleitung „friedlich“ verhalten. Leider ist es noch nicht selbstverständlich, dass Arbeitsgerichte ihre Urteile vor diesem Hintergrund treffen.