1. Frau­ense­mi­nar des RSB 2015

1. Frau­ense­mi­nar des RSB 2015

Am 21./22. März fand in Ober­hau­sen das ers­te Frau­ense­mi­nar des RSB in die­sem Jahr statt. Ein­ge­la­den waren auch Freun­din­nen und Genos­sin­nen, die nicht Mit­glie­der unse­rer Orga­ni­sa­ti­on sind. Die Teil­neh­me­rin­nen setz­ten sich mit den The­men „Gewalt gegen Frau­en“ und „Pro­sti­tu­ti­on“ auseinander.

Petra Sta­ni­us

Dass die meis­ten Teil­neh­me­rin­nen bereits am Sams­tag Abend in Ober­hau­sen waren (sie­he Avan­ti 232) nutz­ten wir für einen ers­ten infor­mel­len Aus­tausch bei einem gemein­sa­men Abendessen.

Gewalt gegen Frauen
Am Sonn­tag beschäf­tig­ten wir uns zuerst mit dem Pro­blem „Gewalt gegen Frauen“.
Eine Genos­sin aus Mann­heim lei­te­te das The­ma ein. Sie stell­te den Lan­des­ak­ti­ons­plan von Baden-Würt­tem­berg gegen Gewalt an Frau­en vor. Er ent­hält sowohl eine Über­sicht über alle zur Ver­fü­gung ste­hen­den staat­li­chen und nicht­staat­li­chen Hil­fen als auch einen Maß­nah­men­ka­ta­log, um Gewalt zu ver­hin­dern, Opfer zu schüt­zen und Täter zur Ver­ant­wor­tung zu zie­hen. Für die Umset­zung des Plans ste­hen für eine Lauf­zeit von zwei Jah­ren rund 3,6 Mio. Euro zur Verfügung.
Häus­li­che Gewalt ist ein beson­ders gra­vie­ren­des Pro­blem. Es gibt ver­schie­de­ne Fak­to­ren, die das Risi­ko von Frau­en, Opfer von Gewalt zu wer­den, erhöhen:
Frau­en mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund sind beson­ders gefähr­det. Eine pre­kä­re sozia­le Lage ist ein Risi­ko­fak­tor, eben­so wie sozia­le Iso­la­ti­on. Auch ein nied­ri­ger Bil­dungs­ab­schluss wirkt sich nega­tiv aus. Frau­en mit Behin­de­rung wer­den über­durch­schnitt­lich oft Opfer von Gewalt.
Dies bedeu­tet aber nicht, dass bestimm­te Grup­pen von Frau­en sicher vor Gewalt wären. Es sind Frau­en jeden Alters und aller Ein­kom­mens­klas­sen betrof­fen. Wobei Jün­ge­re eher kör­per­li­che und Älte­re eher see­li­sche Gewalt erleiden.
Der­zeit gehen ca. 50 Pro­zent der ange­zeig­ten mut­maß­li­chen Täter straf­frei aus.
Wir bewer­te­ten den Akti­ons­plan posi­tiv und dis­ku­tier­ten Mög­lich­kei­ten und Pro­ble­me, die sich in der Pra­xis ergeben:
Ein Lan­des­plan muss auf die Kom­mu­nen her­un­ter­ge­bro­chen wer­den. Den Kom­mu­nen aber feh­len die nöti­gen finan­zi­el­le Mit­tel – und damit die Ent­schei­dungs- und Hand­lungs­fä­hig­keit. Um im Sin­ne des Akti­ons­plans tätig wer­den zu kön­nen, muss ihnen also ein ange­mes­se­nes Bud­get zur Ver­fü­gung gestellt werden.

Es gibt zu wenig bezahl­te Stel­len für qua­li­fi­zier­te Sozi­al­ar­bei­te­rIn­nen. Ein erheb­li­cher Teil der Arbeit wird von ehren­amt­li­chen oder unter­be­zahl­ten Kräf­ten geleistet.
Ist eine zen­tra­le oder eine dezen­tra­le Unter­brin­gung gefähr­de­ter Frau­en zu bevor­zu­gen? Eine eige­ne Woh­nung ist ein ange­neh­me­rer Auf­ent­halts­ort als ein Wohn­heim. Jedoch stellt sich dort das Pro­blem der sozia­len Iso­la­ti­on. Es ist nicht nur schwie­ri­ger, Sozi­al­ar­beit zu orga­ni­sie­ren. Den Frau­en fehlt auch die Mög­lich­keit, sich mit ande­ren Betrof­fe­nen aus­zu­tau­schen, von­ein­an­der zu ler­nen und sich gegen­sei­tig zu unter­stüt­zen. Wer­den sie an ihrem Zufluchts­ort auf­ge­spürt, sind sie der Bedro­hung allein ausgeliefert.
Es wür­de die Sicher­heit der Frau­en erhö­hen, wenn sie in einer Ein­rich­tung außer­halb ihres Wohn­orts, zum Bei­spiel in einer Nach­bar­stadt, unter­kom­men könn­ten. In der Pra­xis gibt es hier auf­grund der ört­li­chen Zustän­dig­keit Pro­ble­me mit der Kos­ten­über­nah­me durch den kom­mu­na­len Träger.

Pro­sti­tu­ti­on
Nach dem Mit­tag­essen führ­te eine Ham­bur­ger Genos­sin uns in das zwei­te Haupt­the­ma ein. Pro­sti­tu­ti­on ist seit 2002 nicht mehr sit­ten­wid­rig, son­dern eine regu­lä­re Dienst­leis­tung. Jedoch ist sie belas­tet mit einem Stig­ma, dass Aus­druck von Ver­ach­tung und Ent­mün­di­gung ist. Sex­ar­beit ist kein Gewer­be wie ande­re. Es bringt Dis­kri­mi­nie­rung und oft auch Gewalt mit sich. Die Ent­wer­tung von Sex­ar­bei­te­rIn­nen grün­det auf der Ver­ach­tung der weib­li­chen Sexua­li­tät und ist damit im Kern frauenfeindlich.
Die Gro­ko hat einen Ent­wurf für ein neu­es Pro­sti­tu­ti­ons­ge­setz vor­ge­legt. Es soll vor­geb­lich Zwangs­pro­sti­tu­ti­on unter­bin­den und die Gesund­heit der Sex­ar­bei­te­rIn­nen (oder der Frei­er?) schüt­zen. Der Ent­wurf sieht unter ande­rem die Anmel­dung aller Pro­sti­tu­ier­ten und ver­pflich­ten­de Gesund­heits­be­ra­tun­gen vor. Noch umstrit­ten sind die Kon­dom­pflicht und die Anzei­ge­pflicht für Frei­er, wenn sie den Ver­dacht hegen, dass sie es mit einer Zwangs­pro­sti­tu­ier­ten zu tun haben.

Tat­säch­lich wer­den die schüt­zen­den Gebo­te und Ver­bo­te kaum durch­ge­setzt wer­den kön­nen. Der Ent­wurf sieht aber umfang­rei­che Daten­samm­lung über Sex­ar­bei­te­rIn­nen vor. Und er ent­hält Kon­troll­vor­schrif­ten und Regle­men­tie­run­gen, die Sex­ar­bei­te­rIn­nen wei­ter ent­mün­di­gen. Wird das Gesetz beschlos­sen, wird es ihre Dis­kri­mi­nie­rung und Stig­ma­ti­sie­rung wei­ter befördern.
Es gibt im Wesent­li­chen drei Her­an­ge­hens­wei­sen, mit Pro­sti­tu­ti­on umzugehen:
1.    Pro­sti­tu­ti­on voll­stän­dig erlau­ben und ande­ren gewerb­li­chen Tätig­kei­ten gleichstellen.
2.    Pro­sti­tu­ti­on voll­stän­dig ver­bie­ten. Damit wür­den sich sowohl Sex­ar­bei­te­rIn­nen als auch deren Kun­dIn­nen straf­bar machen.
3.    Sexkauf ver­bie­ten. Damit wür­den nur die Frei­er kriminalisiert.

Es ist zwei­fel­haft, dass Ver­bo­te ihr Ziel errei­chen. Viel­mehr wird Sex­ar­beit dadurch aus der Öffent­lich­keit her­aus in eine Grau­zo­ne gedrängt, was die Gefahr von Gewalt und Über­aus­beu­tung erhöht. Wir sehen Sex­ar­bei­te­rIn­nen als Lohn­ab­hän­gi­ge, die als sol­che gezwun­gen sind, ihren Lebens­un­ter­halt zu ver­die­nen. Sex­ar­bei­te­rIn­nen soll­ten sich gewerk­schaft­lich orga­ni­sie­ren und gemein- sam ihre Inter­es­sen ver­tre­ten. Ansät­ze hier­zu gibt es bereits. So kön­nen wir mit ihnen gemein­sam kämp­fen – als Frau­en und als Lohnabhängige.
Am Ende des Semi­nars waren wir zufrie­den. Ver­lauf und Ergeb­nis­se die­ses Frau­en­tref­fens bewie­sen, dass ein locke­rer Rah­men nicht im Wider­spruch ste­hen muss zu Ziel­ge­rich­tet­heit und Effek­ti­vi­tät eines Semi­nars. Der zwang­lo­se Aus­tausch hat uns allen neue Erkennt­nis­se gebracht. Erstaun­lich und erfreu­lich waren unse­re vie­len Gemein­sam­kei­ten, über Gene­ra­tio­nen und Lebens­ent­wür­fe hin­weg. Gute Grün­de, um in Kon­takt zu bleiben!

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti 233, Mai 2015
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