Ober­hau­sen! – Sat­telt um! Mehr Platz! Für’s Rad!?

Mit die­sen Rufen im Chor star­tet die Fahr­rad­de­mons­tra­ti­on bei Son­nen­un­ter­gang um 17:07 Uhr vom Vor­platz des Haupt­bahn­ho­fes Oberhausen.

Andrea-Cora Walt­her

Es ist der 31. Okto­ber 2020 – und bereits die zwei­te Fahr­rad­de­mons­tra­ti­on zu Hal­lo­ween mit Beleuch­tung und Ver­klei­dung von Rad und Radeln­den. Einem brei­ten Akti­ons­bünd­nis geht es dar­um, auf die mise­ra­ble Ver­kehrs­in­fra­struk­tur in der Stadt auf­merk­sam zu machen: kei­ne Fahr­rad­spu­ren, schlecht gekenn­zeich­ne­te Fahr­rad­spu­ren, maro­de Fahr­rad­spu­ren, zuge­park­te Fahr­rad- spu­ren, „Bikela­ne to hell“, kei­ne gesi­cher­ten Abstellmöglichkeiten.

Die­ses Jahr fah­ren die Beden­ken mit, die uns das Virus beschert hat. Kon­takt­be­schrän­kun­gen bis hin zum Lock­down ab dem 2. Novem­ber 2020 sind ange­ord­net. Natür­lich muss man immer bei der Durch­füh­rung von öffent­li­chen Ver­an­stal­tun­gen die der­zeit gel­ten­den Auf­la­gen beach­ten. In Zei­ten von Infek­ti­ons­sze­na­ri­en bedeu­tet das seit Lan­gem schon: AHA: Abstand hal­ten, Hygie­ne-Maß­nah­men beach­ten und All­tags­mas­ke tra­gen. Eine Ergän­zung um „L“ wie „Lüf­ten“ ist bei einer Ver­an­stal­tung unter frei­em Him­mel nicht notwendig.
Was aber kann ein­fa­cher sein, als bei einer Fahr­rad­de­mons­tra­ti­on sich exakt an die­se Regeln zu hal­ten? Das Rad selbst zwingt dazu, den Abstand ein­zu­hal­ten. Das lang­sa­me Fah­ren im Demons­tra­ti­ons­zug ermög­licht das Tra­gen der All­tags­mas­ke. Und Hygie­ne ist gewähr­leis­tet, fasst man doch nichts ande­res an als das eige­ne Lenkrad.

Blei­ben die Beden­ken, dass „das Volk“, das den Demons­tra­ti­ons­zug wahr­nimmt, kein Ver­ständ­nis für eine öffent­li­che Ver­an­stal­tung hat, bei der sich mehr als zwei Haus­hal­te und mehr als 10 Men­schen in der Öffent­lich­keit tref­fen? Blei­ben wir also noch für Wochen, Mona­te, ver­mut­lich sogar Jah­re still zu Hau­se und ver­zich­ten auf die Gestal­tung von Poli­tik durch den Druck von der Straße?
Das kann nicht die Lösung sein. Die Ein­schrän­kun­gen von Frei­heits­rech­ten sind not­wen­dig, weil es Men­schen gibt, die schlicht nicht in der Lage sind, sich an die Regeln zu hal­ten, wes­we­gen dann für alle maxi­ma­le Ein­schrän­kun­gen not­wen­dig wer­den. Das kann aber nicht bedeu­ten, dass demo­kra­ti­sche Frei­heits­rech­te wie das Demons­tra­ti­ons­recht kom­plett abge­schafft wer­den. Demons­tra­tio­nen fin­den immer unter Auf­la­gen statt. Demons­tra­tio­nen, die in der Lage sind, die Auf­la­gen von Poli­zei und städ­ti­schem Ord­nungs­amt zu erfül­len, müs­sen wei­ter­hin mög­lich sein.

Und der Erfolg gibt uns Recht. Mit Poli­zei- und Musik­be­glei­tung fah­ren 35 Teil­neh­men­de im Zick-Zack durch die immer dunk­ler wer­den­de Innen­stadt: Fried­rich-Karl-, Her­mann-Albertz-, Grenz-, Mül­hei­mer-, Helm­holtz­stra­ße. Men­schen ste­hen an den Stra­ßen­rän­dern, schau­en aus den Fens­tern, als der beleuch­te­te Fahr­rad­de­mons­tra­ti­ons­zug vor­bei­fährt und … Vie­le klat­schen, win­ken, fil­men und sind min­des­tens so begeis­tert wie wir.

Eine gelun­ge­ne Akti­on für die Sen­si­bi­li­sie­rung für den Aus­bau der Fahr­rad-Infra­struk­tur und für die Durch­füh­rung von Demons­tra­tio­nen auch zu Zei­ten von Infek­ti­ons­schutz-Sze­na­ri­en. Wir müs­sen auf den Stra­ßen laut blei­ben, wenn wir Ein­fluss auf die Gestal­tung unse­res Umfel­des neh­men wol­len, und das müs­sen wir ange­sichts von fort­schrei­ten­der Kli­ma­ka­ta­stro­phe und Rechts­ruck heu­te stär­ker als jemals zuvor. In die­sem Sin­ne ist nach der Demo vor der Demo: Ober­hau­sen! – Sat­telt um!

aus der Avan­ti O. Dezem­ber 2020
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