Scherz, Satire, Ironie und Kreizkruzefix
Geneigte Leserinnen und Leser, ich weiß nicht, liegts an der Zeit oder hör ich zu viel: So geistesfernes oder satirisch verwertbares Geschehen allein in teutschen Landen! Da kommt der Herr Dobrindt mit der Überlegenheit des Christentums über den Islam, und dann kommt die bayerische Landesregierung noch mit einem Kruzifixgebot in allen öffentlichen Gebäuden.
Ernst Kochanowski
Der himmlische Bote, der Dienstmann 172, Alois Hingerl, sitzt nun schon hundert Jahre im Hofbräuhaus zu München, trinkt eine Maß und noch eine… und hat seinen Auftrag vor lauter Maß vergessen. Seitdem wartet die bayerische Regierung vergebens auf die göttlichen Ratschläge.*)
Aber der neue Weißwurstpräsident Herr Söder kann seine Gesetzgebungswut trotzdem nicht zügeln. Nach seines Vorgängers Polizeigesetz und Psychiatriegesetz kommt jetzt das Kreuzgesetz.
„Unsere Vorstellungen von Toleranz und Nächstenliebe, von Freiheit, von Leistungs- und Chancengerechtigkeit finden sich so in der islamischen Welt nicht wieder“, halluzinierte kurz zuvor föhnumweht und biererleuchtet der auch hier sehr bekannte Herr Dobrindt aus Peißenberg.
Den Andersgläubigen, Atheistinnen und Häretikern unter uns wird jetzt in Bayern diese Überlegenheit in allen öffentlichen Gebäuden aufs Auge gedrückt. Vom dunklen Mittelalter in den schwarzen Süden, denn Wege durch Zeit und Raum sind ja unter bestimmten Umständen erstaunlich kurz. Besonders, wenn Wissen und Erkenntnis als gefährlich erkannt werden. Ohne diesen Ballast reist es sich leichter.
Bereits ab dem Jahre 300 hat sich die christliche Religion von einer der Nächstenliebe und der Friedfertigkeit in eine der Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung von Andersgläubigen, Heiden- tum und Wissen gewandelt. Juden waren Heiden, und wer Wissen hat, braucht keinen Gott – also ins reinigende Feuer damit. (Das haben ja der Daesh/IS und andere Tollbrägen auch vom christlichen Abendland gelernt!)
Folgerichtig hat die noch zarte christlich-abendländische Leitkultur im Mittelalter Mauren und Sarazenen mitsamt deren Kultur, der Mathematik, den Naturwissenschaften, ihren Universitäten mit Feuer und Schwert vernichtet– und weil man schon dabei war – auch die jüdische Bevölkerung gleich mit. Nicht von ungefähr sprechen wir heute vom „finsteren Mittelalter“.
Wenn Mann genau hinschaut: Auch zarte emanzipatorische Gedanken innerhalb der Brüder und Schwestern in Christo, oft gerade der Schwestern, ereilte dieses Schicksal. Hunderte von Jahren brannten die christlichen Scheiterhaufen. Die letzte Hexe im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, ein 15-jähriges Mädel, wurde 1756 in Landshut, also in Bayern, verbrannt.
Zu lange dauerte die Heilige Inquisition, zu langsam wurde vernichtetes Wissen wieder zu entdecken erlaubt. Geholfen aber hat uns Heutigen, dass die Wissenschaften im arabisch-osmanischen Reich unberührt vom christlichen Wirken blieben. So konnte das Abendland Wissen und Kultur ein zweites Mal von dort importieren.
Jetzt ist – bis auf Weiteres – die Erde keine Scheibe und sind die Sterne keine Löcher im Papier. Und die Entstehung des Universum und des ganzen Restes wurde auch nicht in sieben Tagen abgeschlossen.
Aber es gibt Rückfälle. Der letzte, das Tausendjährige Reich, ward nach dreizehn Jahren vorbei.
So wurde in zweitausend Jahren der Nächstenliebe und der anderen christlichen Gebote unsere Abendländische Leit(d)kultur geschaffen.
Aufgrund der behaupteten Überlegenheit, aber wohl eher Angst und Tollerei, glauben sich immer wieder Menschen hier und überall auf die Reise in das „Goldene Zeitalter“ zurück begeben zu müssen. Allerdings mit uns als Zwangsbegleitung, tot oder lebendig.
Riechts hier nicht schon a bissl brandig? Kreizkruzefix no a moi!!
*) Nach Ludwig Thoma: „Ein Münchner im Himmel“