Scherz, Sati­re, Iro­nie und Kreizkruzefix

Scherz, Sati­re, Iro­nie und Kreizkruzefix

Geneig­te Lese­rin­nen und Leser, ich weiß nicht, liegts an der Zeit oder hör ich zu viel: So geis­tes­fer­nes oder sati­risch ver­wert­ba­res Gesche­hen allein in teut­schen Lan­den! Da kommt der Herr Dob­rindt mit der Über­le­gen­heit des Chris­ten­tums über den Islam, und dann kommt die baye­ri­sche Lan­des­re­gie­rung noch mit einem Kru­zi­fix­ge­bot in allen öffent­li­chen Gebäuden. 

Ernst Kocha­now­ski

Söders Traum von öffentlichen Räumen? Foto: pixabay.com.

Söders Traum von öffent­li­chen Räu­men? Foto: pixabay.com.

Der himm­li­sche Bote, der Dienst­mann 172, Alo­is Hin­gerl, sitzt nun schon hun­dert Jah­re im Hof­bräu­haus zu Mün­chen, trinkt eine Maß und noch eine… und hat sei­nen  Auf­trag vor lau­ter Maß ver­ges­sen. Seit­dem war­tet die baye­ri­sche Regie­rung ver­ge­bens auf die gött­li­chen Ratschläge.*)
Aber der neue Weiß­wurst­prä­si­dent Herr Söder kann sei­ne Gesetz­ge­bungs­wut trotz­dem nicht zügeln. Nach sei­nes Vor­gän­gers Poli­zei­ge­setz und Psych­ia­trie­ge­setz kommt jetzt das Kreuzgesetz.

Unse­re Vor­stel­lun­gen von Tole­ranz und Nächs­ten­lie­be, von Frei­heit, von Leis­tungs- und Chan­cen­ge­rech­tig­keit fin­den sich so in der isla­mi­schen Welt nicht wie­der“, hal­lu­zi­nier­te kurz zuvor föhn­um­weht und bier­er­leuch­tet der auch hier sehr bekann­te Herr Dob­rindt aus Peißenberg.
Den Anders­gläu­bi­gen, Athe­is­tin­nen und Häre­ti­kern unter uns wird jetzt in Bay­ern die­se Über­le­gen­heit in allen öffent­li­chen Gebäu­den aufs Auge gedrückt. Vom dunk­len Mit­tel­al­ter in den schwar­zen Süden, denn Wege durch Zeit und Raum sind ja unter bestimm­ten Umstän­den erstaun­lich kurz. Beson­ders, wenn Wis­sen und Erkennt­nis als gefähr­lich erkannt wer­den. Ohne die­sen Bal­last reist es sich leichter. 
Bereits ab dem Jah­re 300 hat sich die christ­li­che Reli­gi­on von einer der Nächs­ten­lie­be und der Fried­fer­tig­keit in eine der Aus­gren­zung, Ver­fol­gung und Ver­nich­tung von Anders­gläu­bi­gen, Hei­den- tum und Wis­sen gewan­delt. Juden waren Hei­den, und wer Wis­sen hat, braucht kei­nen Gott – also ins rei­ni­gen­de Feu­er damit. (Das haben ja der Daesh/IS und ande­re Toll­brä­gen auch vom christ­li­chen Abend­land gelernt!)
Fol­ge­rich­tig hat die noch zar­te christ­lich-abend­län­di­sche Leit­kul­tur im Mit­tel­al­ter Mau­ren und Sara­ze­nen mit­samt deren Kul­tur, der Mathe­ma­tik, den Natur­wis­sen­schaf­ten, ihren Uni­ver­si­tä­ten mit Feu­er und Schwert ver­nich­tet– und weil man schon dabei war – auch die jüdi­sche Bevöl­ke­rung gleich mit. Nicht von unge­fähr spre­chen wir heu­te vom „fins­te­ren Mittelalter“.

Wenn Mann genau hin­schaut: Auch zar­te eman­zi­pa­to­ri­sche Gedan­ken inner­halb der Brü­der und Schwes­tern in Chris­to, oft gera­de der Schwes­tern, ereil­te die­ses Schick­sal. Hun­der­te von Jah­ren brann­ten die christ­li­chen Schei­ter­hau­fen. Die letz­te Hexe im Hei­li­gen Römi­schen Reich deut­scher Nati­on, ein 15-jäh­ri­ges Mädel, wur­de 1756 in Lands­hut, also in Bay­ern, verbrannt.
Zu lan­ge dau­er­te die Hei­li­ge Inqui­si­ti­on, zu lang­sam wur­de ver­nich­te­tes Wis­sen wie­der zu ent­de­cken erlaubt. Gehol­fen aber hat uns Heu­ti­gen, dass die Wis­sen­schaf­ten im ara­bisch-osma­ni­schen Reich unbe­rührt vom christ­li­chen Wir­ken blie­ben. So konn­te das Abend­land Wis­sen und Kul­tur ein zwei­tes Mal von dort importieren.
Jetzt ist – bis auf Wei­te­res – die Erde kei­ne Schei­be und sind die Ster­ne kei­ne Löcher im Papier. Und die Ent­ste­hung des Uni­ver­sum und des gan­zen Res­tes wur­de auch nicht in sie­ben Tagen abgeschlossen.

Aber es gibt Rück­fäl­le. Der letz­te, das Tau­send­jäh­ri­ge Reich, ward nach drei­zehn Jah­ren vorbei. 
So wur­de in zwei­tau­send Jah­ren der Nächs­ten­lie­be und der ande­ren christ­li­chen Gebo­te unse­re Abend­län­di­sche Leit(d)kultur geschaffen. 
Auf­grund der behaup­te­ten Über­le­gen­heit, aber wohl eher Angst und Tol­le­rei, glau­ben sich immer wie­der Men­schen hier und über­all auf die Rei­se in das „Gol­de­ne Zeit­al­ter“ zurück bege­ben zu müs­sen. Aller­dings mit uns als Zwangs­be­glei­tung, tot oder lebendig.
Riech­ts hier nicht schon a bissl bran­dig? Kreiz­kru­ze­fix no a moi!!

*) Nach Lud­wig Tho­ma: „Ein Münch­ner im Himmel“

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, April/Mai 2018
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