Scherz, Satire, Zynismus und das neue Wappentier, das viel zu wenig säuft
Ernst Kochanowski
Tja, liebe Leserinnen und Leser, so kann’s gehen: Deutschland, die Welt und besonders Oberhausen werden zurzeit von besonders vielen Dummheiten, Anmaßungen und sonstigen Merkwürdigkeiten heimgesucht. Da weiß unsereiner kaum noch, wie er dies noch würdigen soll. Wo fängt man an, wo hört man auf? Damit meine ich mal nicht die verschiedenen, leider noch nicht verschiedenen, Alternativen für Deutschland – gegen alles andere. Also letztendlich – wir leben ja alle auf dem selben Planeten und alles hängt von allem ab – gegen alle Existenz. Tod, wo ist dein Stachel?!
Fang’ ich also mit unserem Grußonkel für Bagger, Herrn „Mike“ Groschek an. Der hat’s, wie es am 25. August in der WAZ zu lesen war, ja wieder geschafft, in wenigen Sätzen eine maximale Verwirrtheit unterzubringen: „Der Schaukelstuhl einer Vorruhestandsgesellschaft kann nicht zum Wappentier Nordrhein-Westfalens werden“ verkündete er vor der Handwerkskammer Düsseldorf und wetterte über den Zeitgeist einer „durchgrünten Gesellschaft“, in der „Egoisten im Mantel einer Bürgerinitiative“ nicht zu jedem Betonwüstenprojekt ja sagen.
Fast könnte man sagen: semigenial! Wenn es denn nicht doch nur eine Mischung aus Zynismus, schrägen Metaphern und rhetorischem, jedoch keinesfalls gehobenem, Blödsinn wäre. Andernfalls wäre er ja wenigstens ein Kandidat für irgendeinen Valentinsorden.
Und dann die visionäre Kraft, mit der er in zoologische Zwischenwelten vordringt und erschaudernd schaut: den Schaukelstuhl als Wappentier.
Hallo ihr Gemeinschaften für Leben, Freude und Gesundheit – gegen die Zerstörung unserer Lebensräume durch eine Willkommenskultur für Bagger, Autobahnen, Startbahnen, Kern- und Braunkohlekraftwerke, sitzt ihr auch bequem auf euren Vorruhestandsschaukelstühlen vulgo „dem neuen Wappentier“?
Apropos „Vorruhestandsgesellschaft“: Da drin finden sich die Krankenschwester, der durch härteste Wechselschichten die Gesundheit zerstört wurde; der Stahlwerker, dessen Werk, nachdem er es mit aufgebaut hat, dem Profitinteresse geopfert wurde; der Kumpel mit Staublunge; die vielen Kolleginnen und Kollegen, denen so lange immer mehr Leistung abgepresst wurde, bis ihr Körper oder ihre Seele nicht mehr konnten. Also Frauen und Männer, die am Aufbau dessen mitgewirkt haben, was unsere „durchgrünte Gesellschaft“ jetzt vor Beton- und Asphaltpriestern wie unserem Verkehrsminister „Mike“ Groschek schützen will.
Und als ich mir das gerade alles im Kopf zurechtlegte, da kam dann unser Wasserwerk und baute ein solch fieses wie unglaublich unglaubliches Drohszenario von verkeimten Steigleitungen in den Häusern und verschlammten, verstopften Kanälen darunter auf. Oh ihr Mitmenschen! Haltet ein mit eurem schändlichen Wassersparen! Wir verbrauchen ja viel zu wenig Wasser, und dies hat fürchterliche Folgen, die da sind: Gesundheitsruinierende Keime, welche sich in den Hausleitungen durch ständig stehendes Wasser ausbreiten und ein Versiffen, Verschlammen, Verfallen des städtischen Kanalnetzes.
Duscht denn niemand mehr? Geht Ihr Kleidung kaufen, statt zu waschen, leckt Ihr die Teller sauber, ja, noch schlimmer, verrichtet Eure Notdurft im Gebüsch?
Und was ist denn mit der Durchspülung der Kanäle durch den häufigen Starkregen, bei der sogar die Abdeckungen der Gullys und Einstiegsdeckel von den Wassermassen weggedrückt werden? Soviel kann mensch doch gar nicht ins Kanalnetz einspeisen!
Doch bevor wir uns zu sehr wundern, kommt schon wie durch Zauberei eine Erklärung für dieses Lamento in Sicht. Droht uns doch die Wasserversorgung ganz unverblümt mir Preiserhöhungen, weil die Kosten für die Bereitstellung der Wasserversorgung gleich bleiben, auch wenn der Verbrauch sinkt. Der Kubikmeterpreis wird also unvermeidlich steigen.
Aber ganz am Rande hör ich es doch TTIPsen und CETArn. Immerhin ist ja eine gepflegte, lukrative Wasserver- und -entsorgung auch für den „freien Markt“ interessant, Autobahnen sowieso. Bürgerinitiativen sind, wie fast alle Interessengemeinschaften, Gewerkschaften usw. nur Handelshindernisse. Also werden wir aufgefordert, zügig unsere Ressourcen zu verbrauchen, auf die Nachwelt zu scheißen und nicht länger egoistisch im Mantel einer Bürgerinitiative den Standort D zu behindern!
Wir leben nur einmal, und was wir heute vernutzen an Wasser, Land und sonstigen natürlichen Reichtümern, das kann uns keiner mehr nehmen. So also schließt der fabelhafte Neoliberalismus ganz wunderbar wieder einmal den Kreis.