Profite sind systemrelevant – Beschäftigte nicht
Helmut Born
Bis Ende Juni musste ein Konzept für das unter den staatlichen Schutzschirm geflohene Unternehmen Galeria Karstadt/Kaufhof für den weiteren Betrieb erarbeitet werden, um anschließend in ein Insolvenzverfahren unter Eigenregie zu gelangen.
Um solch ein Konzept zu erarbeiten, wurden vom Verwaltungsgericht Essen zwei externe „Verwalter“ eingesetzt, Geiwitz und Kebekus, zwei schon in mehreren Insolvenzverfahren „erprobte“ Sanierer. Von Anfang an stellten die beiden Herren klar, dass hierfür die Beschäftigten einen Beitrag zu leisten hätten, dass aber auch die Vermieter einen Beitrag leisten müssten. Dass damit auch der Haupteigner des Unternehmens, Benko, dem immerhin 60 Filialen gehörten, gemeint war, wurde von ihnen nur am Anfang behauptet.
Ende März verkaufte Benko an die US-amerikanische Investmentfirma Apollo EPF 17 Filialen und entledigte sich damit eines Teiles der zur Schließung vorgesehenen Filialen. Dementsprechend stellte sich heraus, dass die beiden Herren an einem radikalen Schließungskonzept arbeiten und von den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di weitere „Zugeständnisse“ erwarten, da ja letzten Endes die Gläubiger dem Konzept zustimmen müssen. Das hatte Benko schon im vorigen Jahr im Rahmen der Verhandlungen mit ver.di und dem GBR versucht durchzusetzen, was ihm damals nicht gelang.
Nach einem Verhandlungsmarathon von einer Woche wurde am 18. Juni Vollzug gemeldet: Es sollen insgesamt 62 Filialen geschlossen werden und fast 6.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. Es kann davon ausgegangen werden, dass es erheblich mehr sind, da die Beschäftigten der Restaurants, die Depotkräfte, die Reinigungskräfte oder Beschäftigte von Firmen, die Flächen in den Warenhäusern belegt haben, nicht hinzugerechnet wurden. Diese Beschäftigten sind jetzt Opfer der wochenlangen Schließungen von Mitte März bis Mitte Mai, während der Hochphase der Corona-Pandemie. Dabei hat Benko sicherlich genug finanzielle Mittel, solch eine Phase der Stilllegung zu tragen.
Im letzten Jahr wurde mit dem Gesamtbetriebsrat ein Sozialplan vereinbart, in dessen Folge schon mehrere tausend Arbeitsplätze in Filialen, Verwaltung und Lägern vernichtet wurden. Im Dezember wurde ein „Sanierungstarifvertrag“ mit ver.di vereinbart, der erhebliche Einkommenseinbußen der Beschäftigten vorsah. All das hat jetzt nicht gereicht, und die Beschäftigten müssen unter staatlicher Aufsicht wieder die Zeche zahlen, während Benko weiter an der Steigerung seiner Profite arbeiten kann, und seine Mieteinnahmen nicht angetastet werden. Dies zeigt einmal mehr, dass im Kapitalismus die Interessen der Beschäftigten nach einer sicheren Lebensperspektive den Profitinteressen untergeordnet werden.
Aber im Gegensatz zur Lufthansa sind Warenhäuser nicht systemrelevant. Hier tobt ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb, der erst recht durch die Abschaffung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen, der Abschaffung des Rabatt- und Ladenschlussgesetzes angefacht wurde und dem es Unternehmen, wie z.B. Amazon, erlaubt, hier den Markt mit untertariflich bezahlten Beschäftigten „aufzuräumen“.
Inzwischen konnten durch Aktivitäten der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft ver.di sowie örtlicher Politik erreicht werden, dass die Anzahl der Schließungsfilialen verringert wird. Bei weiteren Filialen wie in Essen, Dortmund oder Düsseldorf stehen weitere Gespräche an. Wie viele Filialen es am Ende auch sein werden, die Zeche sollen die Beschäftigten zahlen. Benko weigert sich strikt, Beschäftigte aus den Schließungsfilialen in andere Filialen zu übernehmen. Dabei sind diese personell unterbesetzt, was auch zu der häufig beklagten Unattraktivität der Warenhäuser beiträgt. Deswegen ist es besonders wichtig, für eine Perspektive für alle Beschäftigten zu kämpfen und sich für ein Verbot von Entlassungen einzusetzen, oder die Übernahme in Transfergesellschaften ohne Einkommenseinbußen und zeitlich unbefristet vorzusehen.
All dies reicht nicht, um Beschäftigte vor den Krisen der kapitalistischen Wirtschaft zu schützen. Dazu gehört, dass die Eigentumsverhältnisse in Frage gestellt werden und an Gesellschaftsformen in öffentlicher Hand und unter Kontrolle der Beschäftigten gearbeitet wird. Dazu wird es nötig sein, Unternehmer wie Benko zu enteignen und eine gesellschaftliche Debatte über die Funktion des Einzelhandels in einer solidarischen, ökologischen, nach gesellschaftlichen Bedürfnissen organisierten Gesellschaft zu führen.
13.07.2020