Tarif­run­de Ein­zel­han­del – Ein Abschluss der Unzufriedenheit

Tarif­run­de Einzelhandel

Ein Abschluss der Unzufriedenheit

Die dies­jäh­ri­ge Tarif­run­de im Ein­zel­han­del hät­te für ein wenig Stö­rung des sozia­len Frie­dens im Land sor­gen kön­nen. Es ging nicht nur um eine Erhö­hung der Löh­ne und Gehäl­ter, son­dern ver.di woll­te die Zustim­mung des Han­dels­ver­ban­des für die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit der Tarif­ver­trä­ge erstrei­ten. Dass dies für die Beschäf­tig­ten dring­lich ist, kann mensch an der immer wei­ter nach­las­sen­den Tarif­bin­dung erken­nen: im Osten wer­den nur noch ein Drit­tel der Beschäf­tig­ten nach Tarif­ver­trag bezahlt und auch im Wes­ten sind es nur noch 45 %.

Hel­mut Born

Dabei hat­te ver.di offen­sicht­lich gehofft, die Unter­neh­mer mit Argu­men­ten von der Schmutz­kon­kur­renz über­zeu­gen zu kön­nen. Dabei wen­den die­se Unter­neh­mer seit Jah­ren jeden mög­li­chen Trick an, um der Tarif­bin­dung zu ent­flie­hen. Der schä­bigs­te dabei ist, dass der Han­dels­ver­band sei­nen Mit­glie­dern eine OT (ohne Tarifbindung)-Mitgliedschaft ermög­licht. Ein Unter­neh­men kann also Mit­glied sein, obwohl es erklärt, dass es sich nicht an eine wesent­li­che Grund­la­ge des Ver­ban­des hält. Die­ses Bei­spiel zeigt deut­lich, dass ein Groß­teil der Unter­neh­mer über­haupt kei­nen Tarif­ver­trag mehr will, das heißt kei­nen Ein­fluss der Gewerk­schaf­ten im Unter­neh­men akzep­tiert. Dies ist aber nicht die allei­ni­ge Posi­ti­on der Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­mer, son­dern die­se wird auch von den Spit­zen­ver­bän­den (BDA und BDI) geteilt.

Aber auch die For­de­rung nach 1 Euro mehr pro Stun­de sprach eine deut­li­che Spra­che: Hier­mit wur­de aus­ge­drückt, dass die Beschäf­tig­ten im Ein­zel­han­del, der immer­hin seit sechs Jah­ren einen kräf­ti­gen Umsatz­zu­wachs ver­zeich­net, end­lich mal real mehr in die Tasche bekom­men sol­len. Wie immer bei den Tarif­run­den im Ein­zel­han­del, stell­ten die Unter­neh­mer erst mal auf stur: Selbst in der drit­ten oder vier­ten Ver­hand­lungs­run­de sahen sie sich nicht in der Lage, ein ver­hand­lungs­fä­hi­ges Ange­bot zu unterbreiten.

Wäh­rend­des­sen orga­ni­sier­te ver.di in ver­schie­de­nen Tarif­be­zir­ken Streiks in vie­len Betrie­ben, die oft durch eine gute Betei­li­gung geprägt waren. Vor allem in Nord­rhein-West­fa­len und Baden-Würt­tem­berg gab es mehr­mals gro­ße Kund­ge­bun­gen, bei denen eine kämp­fe­ri­sche Stim­mung herrsch­te. Ende Juli kam es in Baden-Würt­tem­berg zu einer erneu­ten Ver­hand­lung und über­ra­schen­der­wei­se zu einem Abschluss über 24 Mona­te: 2,3 % für 2017 nach zwei Null­mo­na­ten und 2 % für 2018.
Damit wur­de prak­tisch Lohn­ab­bau akzep­tiert, da inzwi­schen die Infla­ti­ons­ra­te bei 2 % liegt und real der Abschluss für die­ses Jahr bei 1,9 % liegt. Die­ser Abschluss wur­de in ver.di hef­tig kri­ti­siert, und es wur­de von Gewerk­schafts­sei­te betont, dass dies kein Pilot­ab­schluss sei. Dies sahen die Bos­se ganz anders. Für sie war es ein Abschluss nach Maß, und sie setz­ten ihn in den ande­ren Tarif­be­zir­ken nach und nach durch.

Zur All­ge­mein­ver­bind­lich­keit wur­de über­haupt nichts erreicht. Wie zu erwar­ten, stell­ten die Unter­neh­mer bei die­ser Fra­ge auf stur und ver­wei­ger­ten, über­haupt dar­über zu verhandeln.
Zusam­men­ge­fasst kann die Tarif­run­de im Ein­zel­han­del nur als Nie­der­la­ge bezeich­net wer­den. Sie wird sicher­lich Spu­ren im Fach­be­reich hin­ter­las­sen. Bleibt zu hof­fen, dass sich die ehren­amt­li­chen Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen deut­lich zu Wort mel­den und dem Appa­rat die allei­ni­ge Hoheit über die Gestal­tung der Tarif­run­den strei­tig machen. 

Hel­mut Born ist Mit­glied im Lan­des­be­zirks­vor­stand ver.di NRW.
Die­ser Text wur­de zuerst ver­öf­fent­licht im Netz­werk­in­fo der Gewerk­schafts­lin­ken (NWI) Nr. 65, Sep­tem­ber 2017.
Wei­te­re Infos zur Gewerk­schafts­lin­ken fin­det Ihr im Labour­Net unter www.labournet.de/gewlinke/

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, Sep­tem­ber 2017
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