Pri­va­ti­sie­rung der Luise-Albertz-Halle

Gewin­ne an den Betrei­ber, Ver­lus­te trägt die Stadt?!

In 2018 hat­te der Ober­hau­se­ner Stadt­rat beschlos­sen, die Stadt­hal­le künf­tig von einem Pri­vat­un­ter­neh­men betrei­ben zu las­sen. Die Wahl fiel auf SMG. Am 8. Juli 2019 lehn­te der Rat im nicht­öf­fent­li­chen Teil sei­ner Sit­zung den nun vor­lie­gen­den Ver­trags­ent­wurf mehr­heit­lich ab. War­um stimmt über­haupt jemand für so ein Papier?


Petra Stanius

Inner­halb des Rates hat­te sich die Lin­ke Lis­te von Anfang an gegen eine Pri­va­ti­sie­rung der Lui­se-Albertz-Hal­le (LAH) aus­ge­spro­chen. So äußer­te sich der Frak­ti­ons­vor­sit­zen­de, Yus­uf Karace­lik, am 18.09.18 gegen­über der Presse:
„Seit­dem die Pri­va­ti­sie­rung der Hal­le 2015 ins Gespräch kam, haben wir uns statt­des­sen für ein alter­na­ti­ves Kon­zept aus­ge­spro­chen, das den Ver­bleib der Hal­le bei der Stadt vor­sieht. Die inhalt­li­che Ein­fluss­nah­me auf eine Stadt­hal­le ist ein hohes Gut, das man nicht auf­ge­ben soll­te. Eine Lui­se-Albertz-Hal­le, die bür­ger­schaft­li­che Akti­vi­tä­ten för­dert, Schu­len und Ver­ei­nen zur Ver­fü­gung steht, soll­te höhe­re Prio­ri­tät haben als betriebs­wirt­schaft­li­che Argumente.“
Er wies auch dar­auf hin, dass SMG regel­mä­ßig die König-Pil­se­ner-Are­na an Grup­pie­run­gen wie die „Grau­en Wöl­fe“ ver­mie­tet, die der faschis­ti­schen tür­ki­schen Par­tei MHP nahe ste­hen, und dass SMG sich einer öffent­li­chen Debat­te hier­über verweigert.

Fridays for Future Demo, Aachen, 21. Juni 2019. Foto: Avanti².

Fri­days for Future Demo, Aachen, 21. Juni 2019. Foto: Avanti².

Am 08.07.19, noch vor der Rats­sit­zung, erneu­er­te die Lin­ke Lis­te ihre Kri­tik an der Pri­va­ti­sie­rung der LAH und kün­dig­te an, gegen den vor­ge­leg­ten Ver­trag zu stimmen:
„Man braucht gar nicht zwi­schen den Zei­len zu lesen, um hier ein ekla­tan­tes Ungleich­ge­wicht zwi­schen den Ver­trags­part­nern zu Las­ten der Stadt Ober­hau­sen zu erken­nen“, so die Begrün­dung. Der Ver­trag zei­ge in gra­vie­ren­der Art und Wei­se, wie Gewin­ne pri­va­ti­siert, wäh­rend die Ver­lus­te sozia­li­siert wer­den. Zurück blie­be eine Hal­le, auf deren Betrieb die Stadt zwar kei­nen Ein­fluss, für die sie im Zwei­fel aber die Zeche zu zah­len habe.

Wei­ter heißt es in der Erklä­rung der Lin­ken Liste:
„Zukünf­tig soll die Stadt das vol­le wirt­schaft­li­che Risi­ko tra­gen: Soll­te der Betrieb Ver­lus­te ein­fah­ren, wer­den die­se an die städ­ti­sche Gesell­schaft LAH wei­ter­ge­lei­tet. Spielt die Hal­le aller­dings Gewin­ne ein, gehen die­se zu 60 Pro­zent an die SMG.
Trotz der unglei­chen Ver­tei­lung bei den Gewin­nen, sol­len zukünf­tig die Kos­ten für die Gebäu­de­instand­hal­tung eben­falls gänz­lich der Stadt in Rech­nung gestellt wer­den. Gleich­zei­tig ver­liert die Stadt aller­dings weit­ge­hend Ein­fluss auf die Preis- und Pro­gramm­ge­stal­tung.“ Wegen letz­te­rem habe auch die Gefahr bestan­den, dass die LAH künf­tig eine neue Hei­mat für die „Grau­en Wöl­fe“ oder ähn­li­che Grup­pie­run­gen wird.

Durch­ge­kom­men ist das Ver­trags­werk nicht. Zuge­stimmt haben nur die CDU (20) und BOB (2). Die Grü­nen (5) haben sich ent­hal­ten. Den Ent­wurf abge­lehnt haben SPD (23), Lin­ke Lis­te (5), OfB (2), FDP (2) und die Rats­frau Andrea-Cora Walther.
Aber wie kom­men Mit­glie­der eines Stadt­rats über­haupt auf die Idee, so einen Ver­trag abschlie­ßen zu wol­len? Der­lei pas­siert ja nicht nur in Oberhausen.

Pri­vat vor Staat
„Pri­vat vor Staat“ ist ein neo­li­be­ra­ler Glau­bens­satz: Angeb­lich wird alles bil­li­ger und die Qua­li­tät steigt, wenn sich nicht die schwer­fäl­li­ge und inkom­pe­ten­te öffent­li­che Hand um Bus und Bahn, Post, Woh­nungs­we­sen, Abfall­ent­sor­gung, Was­ser­ver­sor­gung etc. küm­mert, son­dern die, die wis­sen, wie so etwas geht. Pri­vat­un­ter­neh­men eben.
Spä­tes­tens nach der Pra­xis der letz­ten zwan­zig Jah­re weiß mensch es bes­ser. Pri­va­ti­sie­rung bedeu­tet viel zu oft, dass Gewin­ne pri­va­ti­siert wer­den, für das Tra­gen des Risi­kos und der Ver­lus­te dage­gen die All­ge­mein­heit zustän­dig ist. Die Ent­schei­dungs­ge­walt über das pri­va­ti­sier­te Objekt liegt selbst­ver­ständ­lich den­noch beim „Inves­tor“.

Nicht bes­se­re Leis­tun­gen, son­dern das Erset­zen von ursprüng­lich aus­kömm­li­chen Arbeits­plät­zen durch Bil­lig­jobs sind ein typi­sches Merk­mal für sol­che pri­va­ten Dienst­leis­ter. Und stei­gen­de Prei­se für die, die auf die Leis­tun­gen ange­wie­sen sind.
Der Rat soll­te uns Oberhausener*innen sol­che „Vor­tei­le“ der Pri­va­ti­sie­rung auch in Zukunft erspa­ren – und die LAH in Eigen­re­gie wei­ter betreiben!

Über die SMG
In Deutsch­land betreibt SMG über die SMG Enter­tain­ment Deutsch­land GmbH mit 40 Beschäf­tig­ten die König-Pil­se­ner-ARE­NA in Oberhausen.
SMG, gegrün­det 1977, hat sei­nen Sitz in West Con­s­ho­ho­cken, Penn­syl­va­nia, USA. Das Unter­neh­men bezeich­net sich selbst als den welt­weit größ­ten und erfah­rens­ten Full-Ser­vice-Dienst­leis­ter im pri­vat­wirt­schaft­li­chen Betrieb öffent­li­cher Veranstaltungsstätten.

Welt­weit hat SMG laut eige­nen Anga­ben (US-Sei­te, www.smgworld.com) mehr als 5.000 Beschäf­tig­te in 8 Län­dern und betreibt 248 Sta­di­en, Are­nen, Mes­se- und Kon­gress­zen­tren, Thea­ter und Sci­ence Cen­ter mit mehr als 65 Mil­lio­nen Besucher*innen im Jahr.

Der Jah­res­um­satz von SMG liegt (laut www.smg-deutschland.de) bei mehr als 1,5 Mrd. US-Dollar.
Die Zah­len sind mit Vor­sicht zu genie­ßen. Die Anga­ben der bei­den Sei­ten wei­chen, in einem Fall erheb­lich, von­ein­an­der ab. So hat SMG laut www.smg-deutschland.de 50.000 Beschäftigte.

aus der Avan­ti O., Juli/August 2019
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