Care Revolution:
Sorge-Arbeit im Dienste der Menschen, nicht für Profite
Am 22./23. Oktober 2016 fand in Hamburg ein bundesweites Treffen des Netzwerks Care Revolution statt. Neben dem internen Funktionieren des Netzwerks stand die Verabredung gemeinsamer Aktivitäten auf der Tagesordnung.
P.S./R.H.
Das Care Revolution Netzwerk ist ein Zusammenschluss sehr unterschiedlicher AkteurInnen. So sind Selbsthilfe-Initiativen, politische Gruppen und Gewerkschaftsgliederungen ebenso wie WissenschaftlerInnen daran beteiligt.
Ziele
Ihre Gemeinsamkeit besteht darin, dass sie – auf theoretische und/oder praktische Weise – auf dem Gebiet der Care-Arbeit aktiv sind.
Zusammen wollen sie gegen Lücken in der öffentlichen Daseinsvorsorge, die zu Überforderung und Zeitmangel führen, kämpfen. Der Begriff Care-Arbeit umfasst dabei Sorge-Arbeit im weitesten Sinne. Gemeint sind alle Tätigkeiten mit, am und für Menschen: Erziehen, Pflegen, Lehren und Betreuen, aber auch Reinigen, Einkaufen, Kochen und die Selbstsorge. Und zwar unabhängig davon, ob die Arbeit entlohnt wird oder nicht.
Langfristig streben die UnterstützerInnen des Netzwerks neue Modelle von Sorge-Beziehungen und eine Care-Ökonomie an, die nicht Profitmaximierung, sondern die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellt, und die Sorgearbeiten und Care-Ressourcen nicht nach rassistischen, geschlechtlichen oder klassenbezogenen Strukturierungen verteilt. Dieses Selbstverständnis, das auf der Website des Netzwerks veröffentlicht ist (siehe www.care-revolution.org), tragen alle KooperationspartnerInnen von Care Revolution mit.
Vernetzung
Damit sich die Beteiligten austauschen und Absprachen treffen können, aber auch, um neuen InteressentInnen das Netzwerk Care Revolution vorzustellen, werden regelmäßig bundesweite Treffen durchgeführt.
Am 22./23. Oktober fand im Hamburger Gängeviertel das zweite Netzwerktreffen in diesem Jahr statt, mit etwa fünfzig TeilnehmerInnen.
Das Treffen begann mit einer Einführung für Interessierte. Die Arbeitsweise des Netzwerks, die Funktion des Treffens und Beteiligungsmöglichkeiten wurden vorgestellt.
Weiter ging es mit einer gesellschaftspolitischen Bestandsaufnahme mit Blick auf das Erstarken der Rechten. Hierfür wurden Kleingruppen gebildet, die sich dann jeweils mit denselben drei Fragen auseinandersetzten:
1. (Wieso) denken so viele Menschen, sie können nichts verändern, und wie wird Handlungsfähigkeit erlebbar?
2. Was hat Selbstermächtigung mit Solidarität zu tun – und was heißt Solidaritätsarbeit?
3. Wie lassen sich solidarische Praxen über konkrete Initiativen hinaus erweitern?
Die Ergebnisse der Kleingruppen wurden anschließend im Plenum vorgestellt, um gemeinsam Schlüsse daraus zu ziehen.
Weitere inhaltliche Diskussionen fanden ebenfalls in Arbeitsgruppen statt, und zwar zu den Themen Persönliche Assistenz, Pflege und die Kampagne bundesweite Gefährdungsanzeige, Zeitsouveränität sowie Bildungskonzepte zur Care Revolution.
Selbstverständnis
Ist das Netzwerk ein eigenständiger politischer Akteur, oder soll es nur dem Austausch dienen? Welche Struktur soll das Netzwerk haben, und wie sollen Entscheidungen getroffen werden? Wer darf im Namen von Care Revolution Stellungnahmen abgeben? Diese Fragen waren bis dato nicht befriedigend geklärt.
Beim Treffen in Hamburg definierte sich das Netzwerk als Plattform, die in Zukunft vielleicht einmal kampagnenfähig sein wird, und die plural, aber nicht politisch beliebig ist. Die aktive Einmischung in gesellschaftliche Auseinandersetzungen soll dezentral durch einzelne KooperationspartnerInnen erfolgen. Das Netzwerk soll nicht zu möglichst vielen Themen Stellung beziehen, sondern seine Kernthemen weiter ausformulieren.
Für die Entscheidungsfindung des Netzwerks wurde ein neues Verfahren festgelegt. Abstimmungen erfolgen künftig kombiniert über die Mailingliste und bei Netzwerktreffen. Bundesweit zentralisierte Entscheidungen sollen die Ausnahme sein.
Perspektiven
Die Anwesenden sprachen sich für ein Netzwerktreffen im Mai 2017 aus, das in Kooperation mit der Kampagne „Bundesweite Gefährdungsanzeige“ durchgeführt werden soll. Die Kampagne zielt auf den Einsatz von mehr Personal in der Pflege, um den heute aufgrund von Personalmangel bestehenden Pflegenotstand zu beseitigen. Im Herbst 2017 soll ein zweites Netzwerktreffen stattfinden.
Neben der Neuwahl des Kreises, der die Arbeit des Netzwerks zwischen den Treffen koordiniert, wurden in Hamburg Arbeitsgruppen gebildet, die konkrete Vorschläge für Aktionen und für die Unterstützung regionaler Aktivitäten erarbeiten sollen.