Seit einigen Jahren erleben wir eine weltweit wachsende feministische Bewegung. Auch an Deutschland geht diese Entwicklung erfreulicherweise nicht vorbei. Ein Ausdruck davon war das Feminist Futures Festival, das vom 12. bis zum 15. September 2019 in Essen stattfand.
Petra Stanius
Eine vergleichbare Veranstaltung hat es hier jahrzehntelang nicht gegeben. Und sie beschränkte sich nicht auf „Frauenthemen“. Das Verständnis von Feminismus, das hier geteilt wurde, ist vielmehr ein Feminismus der 99 %: Ein Feminismus, der für die Interessen aller Menschen weltweit eintritt, die ausgebeutet und unterdrückt werden.
Veranstaltet wurde das feministische Festival von der Rosa Luxemburg Stiftung, dem Care Revolution Netzwerk und dem Konzeptwerk Neue Ökonomie. Dass darüber hinaus zahlreiche Menschen an der Vorbereitung und Durchführung beteiligt waren, wurde durch das umfangreiche Angebot mit seinen mehr als hundert Podien und Workshops deutlich.
Das Interesse an der Veranstaltung war so groß, dass die Organisator*innen letztlich die Anmeldung schließen mussten, um nicht ihre räumlichen und infrastrukturellen Grenzen zu überschreiten: 1.500 Teilnehmer*innen aus über 40 Ländern hatten sich angekündigt.
Ziel des Festivals war, dass die Teilnehmenden ihre Unterschiedlichkeit als Stärke begreifen, um feministische und queer-feministische Anliegen mit konsequenter Kapitalismuskritik und Klassenpolitik zu verbinden. Was eine anti- rassistische und internationalistische Haltung ebenso einschließt wie die Anerkennung der Geschlechtervielfalt.
Gerahmt wurde das Festival von einer Auftakt- und einer Abschlussveranstaltung im Plenum. Namensgeber für den inhaltlichen Auftakt, der auf große Zustimmung stieß, war das von Cinzia Arruzza, Tithi Bhattacharya und Nancy Fraser verfasste Manifest „Feminismus für die 99 Prozent“. Feminismus ist nach diesem Verständnis antikapitalistisch und verbündet sich mit allen anderen fortschrittlichen, widerständigen Bewegung, um gemeinsam für ein gutes Leben für alle zu kämpfen.
Nicht nur das Event selbst war etwas Besonderes, sondern auch der Ort, an dem es stattfand: Die Zeche Zollverein in Essen, UNESCO Welterbe und Denkmal der – männlich geprägten – Industriegeschichte des Ruhrgebietes. Auch dieser Ort und seine Bedeutung waren Thema verschiedener Workshops.
Ansonsten konnten die Teilnehmenden lernen vom Beispiel, das die autonome kurdische Frauen*bewegung lebt. Lernen auch von der Ruhrjugend und ihren praxisnahen Vorschlägen zum Thema „Intersektionalität und Raus aus der Szene“. Oder selbst einen Festival-Podcast machen. Filme anschauen. Sich informieren und diskutieren über Altersarmut, (Frauen*)Streiks im Krankenhaus, Queer und Landwirtschaft, globale Sorgeketten, das Menschenrecht „Wohnen“, Ökologie und Feminismus, feministisch streiken gegen Rechts …
Die Feier des 5-jährigen Bestehens vom Care Revolution Netzwerk unter dem Motto „Füreinander sorgen. Solidarisch kämpfen. Und zwar jetzt!“ fand im Rahmen des Festivals statt. Ebenso eine Solidaritätsdemonstration mit der Demo „Der Pott bleibt unteilbar“ in Essen-Steele, an der sich über 500 Teilnehmer*innen des Festivals beteiligten. Nicht zu vergessen die Vorbereitungstreffen für den Frauen*streik 2020. Auch eine Party am Samstagabend fehlte nicht.
Es ist unmöglich, mit einem kurzen Beitrag der Vielfältigkeit dieses Ereignisses gerecht zu werden. Genauso, wie es unmöglich war, mehr als einen winzigen Ausschnitt von allem, was an diesen Tagen passiert ist, selbst zu erleben.
Während der Abschlussveranstaltung gab es die Möglichkeit Projekte vorzuschlagen und Mitstreiter*innen dafür zu gewinnen. Mehr als dreißig Vorschläge kamen dabei zusammen: örtliche Angebote zur Vernetzung, die Vorbereitung eines politischen Musikfestivals, ein queerfeministischer Aktionsverteiler, Schulungen zu Awareness …
Das beeindruckende und ausgesprochen gelungene Festival endete am Sonntag mit dem gemeinsamen Skandieren der Parole
What do we want? – Feminist Futures!
When do we want it? – Now!
TIPP: Eindrücke vom Feminist Futures Festival bekommt Ihr durch einen kleinen Film, den Ihr hier findet:
www.feministfutures.de