Mas­sen­ent­las­sun­gen bei XXXL Rück

Mas­sen­ent­las­sun­gen bei XXXL Rück:

Rechts­fra­gen sind Machtfragen

Im Zuge der Über­nah­me des Möbel­hau­ses Rück durch die öster­rei­chi­sche XXXLutz-Grup­pe kam es in Ober­hau­sen zu Mas­sen­ent­las­sun­gen. Vie­le der Kol­le­gIn­nen wehr­ten sich, unter ande­rem mit Kün­di­gungs­schutz­kla­gen. Obwohl sie fast alle Kla­gen gewon­nen haben, haben sie letzt­end­lich verloren. 

Petra Sta­ni­us

Unter den Gekün­dig­ten waren Schwer­be­hin­der­te und der gesam­te Betriebs­rat. Avan­ti O. hat mehr­fach über die Metho­den die­ses de fac­to Kon­zerns und den Wider­stand dage­gen berichtet.

Im Zen­trum der juris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zung stand stets die Fra­ge, ob es sich bei der Über­nah­me um einen Betriebs­über­gang im Sin­ne des § 613 a BGB gehan­delt hat. Denn damit wäre für die Alt­be­schäf­tig­ten ein Anspruch auf Wei­ter­be­schäf­ti­gung verbunden. 
Kei­ne der mit dem Fall befass­ten Kam­mern des Arbeits­ge­richts Ober­hau­sen und des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düs­sel­dorf hat auf einen Betriebs­über­gang im Gan­zen erkannt, obwohl sich durch die Über­nah­me des Möbel­hau­ses durch XXXLutz nach außen hin so gut wie nichts ver­än­dert hat. Dass die­se offen­kun­di­ge Tat­sa­che nicht dazu geführt hat, dass die Rich­te­rIn­nen das Möbel­haus Rück als einen ein­heit­lich wei­ter­ge­führ­ten Betrieb sehen, liegt dar­an, dass sie die Selb­stän­dig­keit der nahe­zu ver­mö­gens­lo­sen XXXL-Betrei­ber­ge­sell­schaf­ten aner­ken­nen und die XXXLutz-Grup­pe – ganz im Sin­ne ihrer Kon­struk­teu­re – nicht als Kon­zern werten.

Die ober­fläch­li­che Betrach­tung des Sach­ver­halts ergibt, dass eini­ge Betrei­ber­ge­sell­schaf­ten von XXXL Rück, bei denen die Kol­le­gIn­nen ange­stellt waren, insol­vent gin­gen und liqui­diert wur­den. So dass bedau­er­li­cher­wei­se kein Unter­neh­men mehr exis­tiert, gegen das die ehe­ma­li­gen Beschäf­tig­ten Ansprü­che stel­len könn­ten. Wäre XXXLutz ein Kon­zern, so wür­de in so einem Fall die Kon­zern­haf­tung grei­fen. Um dies fest­stel­len zu kön­nen, müss­ten sich die Gerich­te jedoch ernst­haft mit der kom­pli­zier­ten und undurch­sich­ti­gen Unter­neh­mens­struk­tur von XXXL aus­ein­an­der­set­zen – was mit erheb­li­cher Mühe ver­bun­den wäre.

Arbeits­ge­richt hebelt Betriebs­rat aus
Bis­lang hat­ten alle mit dem Fall befass­ten Kam­mern jedoch zumin­dest einen Teil­be­triebs­über­gang erkannt, also den Über­gang von einer XXXL-Gesell­schaft auf eine ande­re. Mit­te Dezem­ber 2016 fäll­te das Arbeits­ge­richt Ober­hau­sen dann ein gegen­sätz­li­ches Urteil, das den Betrieb­rat aus­he­bel­te und damit dem Wider­stand der Kol­le­gIn­nen end­gül­tig den Boden entzog:
Ende 2015 woll­te der Betriebs­rat von XXXL Rück durch eine Neu­wahl sein Man­dat absi­chern, da im Som­mer zwei XXXL-Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaf­ten gegen ande­re aus­ge­tauscht wor­den waren. Die mit dem Eil­ver­fah­ren befass­te Kam­mer des Arbeits­ge­richts Ober­hau­sen stell­te einen Betriebs­über­gang fest und beschied dem Betriebs­rat, dass er bis 2018 im Amt sei. Dar­auf­hin klag­te der Betriebs­rat auf Her­aus­ga­be sei­nes Büros, um sei­ne Arbeit fort­set­zen zu können.

Im Haupt­ver­fah­ren im Dezem­ber 2016 kam eine ande­re Kam­mer des Arbeits­ge­richts Ober­hau­sen jedoch zum gegen­tei­li­gen Ergeb­nis: Bei der Über­tra­gung des Betrie­bes des Ver­kaufs­hau­ses auf ande­re XXXL-Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaf­ten soll nun doch kein Betriebs­über­gang statt­ge­fun­den haben. Und damit das Man­dat des Betriebs­ra­tes erlo­schen sein. Laut die­sem Urteil gibt es seit August 2015 kei­nen Betriebs­rat bei XXXL Rück mehr.
Hät­ten die Kol­le­gIn­nen wie geplant Ende 2015 ihren Betriebs­rat neu gewählt, hät­te sich eine ganz ande­re Situa­ti­on erge­ben: Der Betriebs­rat hät­te ihre Inter­es­sen ver­tei­di­gen kön­nen. Kün­di­gun­gen ohne Anhö­rung des Betriebs­rats wären unwirk­sam gewe­sen. Dies lässt sich nun nicht mehr korrigieren.
Die­ses Urteil, ver­bun­den mit der Aus­sicht, auf­grund der lan­gen Ver­fah­rens­dau­er bald auf Hartz IV ange­wie­sen zu sein, führ­te dazu, dass fast alle Alt­be­schäf­tig­ten nun doch eine Abfin­dung ange­nom­men und sich zu Still­schwei­gen ver­pflich­tet haben. XXXL hat­te ange­droht, bis zur letz­ten Instanz gegen die Wei­ter­be­schäf­ti­gung der Kol­le­gIn­nen zu kla­gen: Was für das Unter­neh­men kein Pro­blem gewe­sen wäre, aber für die Gekün­dig­ten den wirt­schaft­li­chen Ruin bedeu­tet hätte.

Die juris­ti­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die Mas­sen­ent­las­sun­gen sind damit weit­ge­hend beendet.
Deut­lich gewor­den ist in deren Ver­lauf immer wie­der, dass sich nicht zwei Glei­che vor Gericht strei­ten, wie es das Gesetz unter­stellt. Die for­ma­le Gleich­heit der Par­tei­en, die das erheb­li­che wirt­schaft­li­che Ungleich­ge­wicht und das Macht­ge­fäl­le zwi­schen ihnen unbe­rück­sich­tigt lässt, begüns­tigt tat­säch­lich den Stärkeren.

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, Janu­ar / Febru­ar 2017
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