„ Reichsbürger “ leugnet den Holocaust
Prozessbeobachter
Für den 13. Juli 2017 war vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts Oberhausen eine Verhandlung wegen Volksverhetzung angesetzt.
Dieses entnahmen interessierte AntifaschistInnen zwei Tage vor dem Termin einer kleinen Notiz der örtlichen Presse.
Niemand wusste also genau, worum es ging. Dennoch fanden sich einige kritische BürgerInnen ein, um zusammen das Verfahren zu beobachten.
Angeklagt der mehrfachen Volksverhetzung war Henry Hafenmayer (folgend HH) aus Oberhausen.
Hintergrund der Anklage
HH hat seit Ende 2015 mit einem offenen Brief an mehrere hundert Empfänger (Behörden, Polizeipräsidien, Bildungseinrichtungen, Gerichte, Botschaften usw.) äußerst krude, rassistische Thesen bezüglich einer angeblichen Überfremdung der BRD verbreitet. Das Schreiben endet mit „Nun, Volk, steh auf, und Sturm brich’ los!”. Dies ist der Schluss der am 18. Februar 1943 von Goebbels gehaltenen so genannten Sportpalastrede, in welcher er zum „Totalen Krieg“ aufrief.
Dem Schreiben beigefügt war eine CD mit nationalsozialistischer Propaganda, mit der der Holocaust geleugnet wurde.
Die Verhandlung
HH wurde von dem bekannten Nazi-Anwalt André Picker aus dem Ruhrgebiet verteidigt.
Gleich zu Beginn des Prozesses wurde in Reichsbürgermanier die Zuständigkeit der Justiz bestritten: Das Gericht sei illegal, da die BRD rechtlich nicht existent sei. Das Gericht wies dies, genauso wie einen darauf folgenden Befangenheitsantrag, zurück.
HH verlas dann eine eigene Prozesserklärung. Diese entpuppte sich jedoch bald als widerwärtige und ekelhafte Holocaustleugnung und Verteidigung des Nationalsozialismus. Nach zwölf Seiten mit ständigen inhaltlichen Wiederholungen machte der Richter einen zaghaften Versuch, die peinigende Vorlesung abzukürzen. HH bestand jedoch auf Verlesung des gesamten Textes. Allerdings, als sich nach 32 Seiten und ca. einer Stunde herausstellte, dass die Rede ca. 60 Seiten lang war, beendete das Gericht das Verlesen dieses Pamphlets, zumal es sich nur um Wiederholungen und Variationen des oben genannten Inhalts handelte.
Insgesamt wurde HH wegen Volksverhetzung in vier Fällen – weil nicht vorbestraft – nur zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt.
Die ZuschauerInnen
Interessant waren auch die ProzessbesucherInnen. Zu Beginn war eine Schulklasse mit anwesend, welche jedoch nach etwa einer Stunde den Verhandlungssaal verließ.
Übrig blieben einige AntifaschistInnen, eine Pressevertreterin und ca. 15 weitere Personen.
Unter diesen befand sich der Oberhausener NPD-Vorsitzende Wolfgang Duda. Auch andere Zuschauer waren durch ihre, vom Gericht eher zögerlich unterbundenen, Zwischenrufe eindeutig dem rechten Lager zuzuordnen.
Neben anderen bundesweit bekannten Nazis, Holocaustleugnern und Verschwörungstheoretikern waren zugegen: Gerhard Ittner, ein mehrfach verurteilter Holocaustleugner und überzeugter Nationalsozialist; und Sylvia Stolz, mehrfach verurteilt wegen Holocaustleugnung, ehemalige Lebensgefährtin von Horst Mahler und, bis ihr die Zulassung entzogen wurde, Anwältin von diversen Neonazigrößen.
Zur Einschätzung
Bei HH handelt es sich zwar auch um einen wirren „Neo“nazi und Reichsbürger, falls dies keine Tautologie ist. Allerdings steckt hinter dem ganzen „Event“ wohl eine Strategie, rechtes und faschistoides Gedankengut wieder aus den Giftschränken zu befreien und die nationale und internationale Neonazi- und Holocaustleugnerszene als kritische und aufrechte Bürger wieder salonfähig zu machen. Organisiert und finanziert mit Unterstützung der rechten Kumpanei, dient so ein Gerichtsverfahren mit HH als Märtyrer letztlich also der Propaganda. Dafür spricht auch, dass die vom Gericht als Volksverhetzung gewerteten Inhalte immer noch auf der Webseite von HH zu sehen sind – das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen also anscheinend nicht rechtskräftig und Berufung eingelegt worden ist.
So dass es wahrscheinlich auch noch eine Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Duisburg geben wird. Das kündigt HH auch auf seiner Webseite an.
Wenn dieser Termin stattfindet, sollten alle antifaschistischen Kräfte dorthin mobilisieren. Auch um zu verhindern, dass erneut führende Neonazis und Holocaustleugner der Selbstinszenierung von HH ein dankbares Publikum bieten.
Keinen Fußbreit den Faschisten!
Weiteres zu HH
Nahezu zeitgleich mit dem Versenden der Briefe ab ca. Ende 2015 wurde von HH eine Webseite eingerichtet.
Diese wurde anfangs mit werbefinanzierten Facebook- und Twitterposts beworben, so geschickt, dass die rechte Propaganda erst auf den zweiten Blick zu bemerken war. Mit dem Erfolg, dass diese Seite inzwischen erstaunlich gut zu finden und auch international vernetzt ist (z.B. in den USA bei der dortigen Naziszene).
Am 11. Februar 2017 tauchte HH bei der Nazidemo in Dresden ebenso als Redner auf wie bei anderen Nazikundgebungen in Deutschland. Auch als Referent und Teilnehmer ist er bei einschlägigen Seminaren bereits gesehen worden.
Offensichtlich ist dieser HH im Gegensatz zum Oberhausener NPD-Vorsitzenden nicht unbedingt ein kleiner Fisch in der deutschen Naziszene. Den AntifaschistInnen in Oberhausen ist er in den letzten Jahren nicht aufgefallen, und er war den meisten auch nicht bekannt.