War das nicht überfällig?
Interview mit Manuel Kellner
Der Revolutionär Sozialistische Bund (RSB) und die internationale sozialistische linke (isl) haben sich am 3. und 4. Dezember 2016 zur Internationalen Sozialistischen Organisation (ISO) zusammengeschlossen. |
Nach einer langen Zeit der Trennung sind damit die beiden Flügel der deutschen Sektion der IV. Internationale wieder vereinigt.
Wir drucken nachfolgend ein Interview mit Manuel Kellner ab, welches im Januar 2017 in der Avanti², der Beilage der ISO Rhein-Neckar zur Avanti, erschienen ist.
Avanti²: Die IV. Internationale hat bereits auf ihrem Weltkongress von 2003 ihre beiden Organisationen in Deutschland zur Fusion aufgefordert. Kommt die (Wieder-)Vereinigung mehr als 13 Jahre danach nicht etwas spät?
Manuel Kellner: Viel zu spät; aber besser spät als nie! Kein normaler Mensch versteht, wieso zwei politische Gruppen, die dieselben programmatischen Grundüberzeugungen haben, so lange getrennt marschiert sind. Obwohl wir die INPREKORR, die Zeitschrift der IV. Internationale in deutscher Sprache, die ganze Zeit über gemeinsam herausgegeben hatten.
Wir hatten uns nach vielen Jahren gemeinsamen Engagements in der Vereinigten Sozialistischen Partei (Ergebnis der Fusion der damaligen Sektion der IV. Internationale mit einer vormals maoistischen Organisation im Jahr 1986) auseinander gelebt. Wir von der späteren (2001 gegründeten) isl hatten viel zu lange an der VSP festgehalten (die nicht der IV. Internationale beigetreten war), und der spätere RSB wollte schon 1994 einen neuen Anfang ausdrücklich als Organisation der IV. Internationale starten.
Avanti²: Es sind drei Grundlagenpapiere verabschiedet worden - zur Programmatik, zum Selbstverständnis und zur Politischen Lage. Welches sind die inhaltlichen Kernpunkte dieser Texte?
Manuel Kellner: Im Mittelpunkt steht unser gemeinsames Ziel, die sozialistische Demokratie. Dazu gehört das Eintreten für die demokratische Selbstorganisation der abhängig Beschäftigten und Unterdrückten. Aus ihr allein können die Keimformen der neuen Gesellschaft entstehen, die zum Sturz der kapitalistischen Klassenherrschaft und zum Aufbau einer klassenlosen, von Ausbeutung und Unterdrückung freien Gesellschaft führen werden. Ob das klappt? Das weiß niemand, aber eine lebenswerte Zukunft ist ohne das nicht vorstellbar.
Unser Internationalismus beschränkt sich nicht auf die verschiedenen Aufgaben der internationalen Solidarität. Wir sind für den gleichzeitigen Aufbau revolutionär-sozialistischer Gruppierungen in den einzelnen Ländern und einer weltweiten revolutionären Organisation.
Mitglieder der ehemaligen isl arbeiten in der Partei Die Linke und in ihrem antikapitalistischen Flügel mit. Für die Vereinigung war wichtig, dass die Mitglieder des ehemaligen RSB das akzeptieren. Wir sehen nun gemeinsam unsere neue Internationale Sozialistische Organisation (ISO) als Teil der Neuformierung einer politischen Linken. Wir stellen uns der Aufgabe, auf das Versagen von Sozialdemokratie und Stalinismus, von Opportunismus und Sektierertum eine revolutionäre Antwort zu finden und eine Perspektive für den Sozialismus des 21. Jahrhunderts zu erarbeiten.
Avanti²: Vor welchen politischen Herausforderungen steht die ISO in der nächsten Zeit?
Manuel Kellner: Der Aufschwung der Rechten und der extremen Rechten mit ihrer Demagogie und ihrem Gewaltpotenzial steht für uns in Zusammenhang mit der Kapitaloffensive gegen die abhängig Beschäftigten und Erwerbslosen. Dagegen wollen wir breite Aktionseinheiten aufbauen und zugleich die sozialistische Kritik an der etablierten, die Interessen des Kapitals vertretenden Politik möglichst deutlich artikulieren. Wenn die Glaubwürdigkeitskrise der sozialistischen Alternative nicht überwunden wird, dann werden die braunen Rattenfänger sich durchsetzen.
In Betrieben, Schulen, Stadtvierteln und Hochschulen wollen wir den Widerstand der Ausgebeuteten und Unterdrückten, den Kampf für solidarische Lösungen der bedrängenden Probleme, in jeder Hinsicht bestärken und fördern. Dazu gehört ganz unabdingbar der Einsatz für eine klassenkämpferische Orientierung der Gewerkschaften.
Dazu gehören auch eine sozialistische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel der Förderung des selbständigen politischen Denkens und Handelns gegen die systematische Manipulation und geistige Verarmung durch die Herrschenden und ihre Ideologien.