… dann läuft etwas schief im Gesundheitssystem. Dass die Behandlung von Patient*innen sich rechnen muss, unabhängig von deren Bedarf und auf Kosten der Beschäftigten, war Anlass für zwei Veranstaltungen, die vom 29. November bis zum 1. Dezember im Gebäude der ver.di Bundesverwaltung in Berlin stattfanden.
Petra Stanius
„Wie weiter im Kampf für mehr Personal und bedarfsgerechte Versorgung?“, so lautete der Titel der ersten Veranstaltung, dem Krankenhaus-Bewegungsratschlag, organisiert vom Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“.
In Arbeitsgruppen und Plena machten die Teilnehmenden eine Bestandsaufnahme, wie weit sie ihren Zielen, die Ökonomisierung der Krankenhäuser wieder rückgängig zu machen und eine gesetzliche Personalbemessung durchzusetzen, näher gekommen sind. Wie kann eine alternative Krankenhausplanung und -finanzierung aussehen, und welche Aufgaben ergeben sich daraus? Wie kann Organizing dabei helfen, die Bewegung weiter zu stärken?
Personal gestärkt kraft Gesetz?
Auf Druck massiver Streiks in Krankenhäusern in den letzten Jahren und der sie begleitenden Solidaritätsbewegung wurden auf Bundesebene mit dem so genannten Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) diverse gesetzliche Änderungen beschlossen. Deren Auswirkungen beleuchteten die Teilnehmenden des Bewegungsratschlages kritisch.
So haben die unter Bundesgesundheitsminister Spahn eingeführten Personaluntergrenzen nichts zu tun mit der Forderung nach bedarfsgerechter Personalbemessung. Die Regelung schreibt im Kern den mangelhaften Ist-Zustand als Soll-Zustand fest und kann in Häusern mit besserer Personalausstattung sogar zu Personalabbau führen.
Anders verhält es sich zum Beispiel mit der Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen. Diese Regelung beinhaltet, dass die „Pflege am Bett“ ab 2020 nach dem Selbstkostendeckungsprinzip finanziert wird. Was bedeutet, dass die Krankenkassen die hierfür nachgewiesenen Kosten vollständig übernehmen müssen. Eine echte Verbesserung also, die den Kostendruck auf die Pflege, und damit auch auf die Löhne der Pflegekräfte, nimmt.
Allerdings: Nur die Personalkosten der Pflegekräfte auf bettenführenden Stationen werden auf diese Weise refinanziert. Also nicht die Pflegepersonalkosten generell – und auch nicht die Personalkosten der vielen anderen Berufsgruppen, die es braucht, um ein Krankenhaus zu betreiben: Therapeut*innen, Reinigungskräfte, Techniker*innen, Labor- und Röntgenassistent*innen, Erzieher*innen, Angestellte der Verwaltung… Sie alle bleiben außen vor.
Dies erhöht die Gefahr der Spaltung von Klinik-Belegschaften. Und macht es zu einer wichtigen Aufgabe für die Bewegung, solidarisch zu sein mit allen beteiligten Berufsgruppen. Und den Kampf zu unterstützen, dass die für die Pflege erkämpften Verbesserungen auf die anderen Bereiche übertragen werden.
Aktionen und Vernetzung
Das direkt an den Bewegungsratschlag anschließende Vernetzungstreffen der Bündnisse für mehr Personal im Gesundheitswesen konnte an diese Debatten anknüpfen und darauf aufbauen.
Vertreter*innen von rund 15 Bündnissen sowie Einzelpersonen aus weiteren Städten waren bei dem Treffen anwesend. Die Arbeit vor Ort und die gemeinsamen Aktivitäten wurden zur Diskussion gestellt und ausgewertet:
Der „Olympische Brief“ wanderte im Frühjahr 2019 durch Kliniken in ganz Deutschland. Etliche tausend Kolleg*innen unterschrieben die darin aufgestellten Forderungen gegen den Pflegenotstand. Die Unterschriften übergaben die Bündnisse mit einer medienwirksamen Aktion bei der diesjährigen Gesundheitsminister*innenkonferenz in Leipzig an Jens Spahn. Der „Olympische Brief“ hat so die Beteiligten über betriebliche und örtliche Grenzen hinweg miteinander verbunden und das Gemeinsame nach außen sichtbar gemacht.
Dagegen war es ein schwerer Schlag, dass das Hamburgische Verfassungsgericht den Volksentscheid über eine gesetzliche Personalbemessung in Hamburg für unzulässig erklärte.
Diese rechtliche Bewertung war keineswegs zwingend. Jedoch lehnten bald darauf auch der Bayerische und der Berliner Verfassungsgerichtshof mit einer ähnlichen, teilweise wortgleichen Begründung die Volksentscheide in ihren Ländern ab. Damit ist diese schwungvolle Initiative, die auf große Zustimmung in der Bevölkerung stieß, gestorben.
In Workshops, die ebenfalls an der Praxis orientiert waren, diskutierten die Teilnehmenden über künftige bundesweite, örtliche und betriebliche Aktivitäten. Viele Ideen wurden dort gesammelt und anschließend dem Plenum vorgestellt. Die Teilnehmenden verabredeten erste gemeinsame Schritte für das kommende Jahr.
Trotz der Erfolge der Bewegung bleibt noch viel zu tun. Und es geht weiter in 2020 – vielleicht mit einer Volksinitiative in NRW.