1. Mai 2015 in Oberhausen-Osterfeld
Eine vorläufige Bilanz der Repression gegen AntifaschistInnen
Am 1. Mai 2015 protestierten in Oberhausen-Osterfeld auf dem Marktplatz hunderte Menschen mit einem breiten Bündnis gegen einen Auftritt der Rassisten von „Pro NRW“. Während der Protestkundgebung kam es zu einem unverhältnismäßigen Polizeieinsatz mit Pfefferspray und Schlagstöcken. Im Anschluss wurden etliche AntifaschistInnen auf dem Heimweg ohne konkreten Vorwurf eingekesselt, fotografiert und ihre Personalien festgestellt.
Prozessbeobachter
Insgesamt acht AntifaschistInnen wurden in den folgenden Monaten Strafbefehle der Staatsanwaltschaft Duisburg in zum Teil vierstelliger Höhe zugestellt. Die Vorwürfe reichten von Verstößen gegen das Vermummungsverbot über Sachbeschädigung bis hin zu Landfriedensbruch.
Die Betroffenen legten Widerspruch gegen diese Strafbefehle ein. So wurden die vermeintlichen Straftaten im Laufe dieses Jahres vor dem Amtsgericht Oberhausen verhandelt.
Die ersten Verfahren endeten mit Freisprüchen. Schon da war offensichtlich, dass versucht worden war, mittels der Strafbefehle gegen die überwiegend jungen Antifaschisten ein Exempel zu statuieren. Diese sollten wohl mit konstruierten und übertriebenen Vorwürfen eingeschüchtert werden.
Bei allen Verfahren war die Solidarität mit den Angeklagten sehr groß. Wir gingen gemeinsam mit einer kleinen Demo am Polizeipräsidium vorbei zum Amtsgericht. Dort füllten wir jedes Mal den Sitzungssaal bis auf den letzten Platz.
Der Verlauf aller Verfahren war ähnlich. Die Staatsanwaltschaft kannte teilweise die Akten nicht und war ungenügend vorbereitet. So blieb von den Vorwürfen, trotz Filmmaterial der Polizei, nichts oder zu wenig übrig für eine Verurteilung.
Insgesamt gab es bei den acht Verfahren drei Freisprüche. Fünf Verfahren wurden, zum Teil gegen geringe Geldauflagen, eingestellt. Diese wurden von den Angeklagten, um den Fall abzuschließen, akzeptiert.
Ab Januar 2016 lief während der gesamten Verfahren eine Solidaritätskampagne für die angeklagten Antifa- schistInnen, welche von über zwanzig Organisationen und Einzelpersonen aus Oberhausen ideell und materiell unterstützt wurden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kalkül der Staatsmacht, junge AntifaschistInnen einzuschüchtern so nicht aufgegangen ist. Die große Solidaritätswelle hat sicherlich auch dazu beigetragen.
Bei all dem gibt es einen Wermutstropfen: Einen Freispruch wegen Vermummung versucht die Staatsanwaltschaft Duisburg zu kassieren. Sie hat dagegen Widerspruch eingelegt. Der Prozess findet am 31.01.2017 vor dem Landgericht Duisburg statt. Alle anderen Urteile sind rechtskräftig.
Wir AntifaschistInnen werden sicherlich in Oberhausen auch zukünftig von Repression bedroht sein, wenn wir gegen Nazis, RechtspopulistInnen oder deren Spielarten aufstehen. Solange es in weiten Teilen des Justizapparates nach wie vor die Vorstellung gibt, dass der Feind den es zu bekämpfen gilt, links steht und nicht rechts. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Duldung volksverhetzender Parolen bei den Aufmärschen der sogenannten Bürger gegen Politikwahnsinn durch die reichlich vorhandene Polizei genauso wie die Genehmigung von ihren aggressiven Aufmärschen.
Zum Schluss noch einige Auszüge aus der Prozesserklärung eines der Angeklagten, die er am Tag des letzten Verfahrens im Amtsgericht Oberhausen verlesen hat. Er wurde vom Vorwurf des Landfriedensbruchs übrigens freigesprochen:
„… Heute erleben wir eine Situation, in der rassistische Aussagen gesellschaftlich wieder anerkannt sind. Die Zahl rassistisch motivierter Angriffe ist so hoch wie lange nicht mehr. Täglich ist von Übergriffen auf Geflüchtete, ihre Wohnräume und ihre Unterstützer*innen zu lesen. Orte wie das mit Oberhausen städtefreundschaftlich verbundene Freital in der Nähe von Dresden, Heidenau, Clausnitz, Bautzen, sie alle haben in den letzten Jahren traurige Berühmtheit erlangt. Erst letzte Woche kam es in Dresden zu Brand- anschlägen auf eine Moschee und ein internationales Kongresszentrum. Auch in Oberhausen gab es allein im vergangenen Jahr zwei versuchte Brandanschläge auf im Bau befindliche Notunterkünfte, an der Ruhrorter Straße und in Osterfeld, an der Kapellenstraße. Erst in der vergangenen Woche kam es laut Berichten freier Journalisten und geflüchtetensolidarischer Gruppen im Anschluss an eine vom Essener Pro NRW Bezirksvertretungsmitglied Holm Teichert organisierte Demonstration zu Angriffen auf vermeintliche Asylbewerber*innen durch dem Hogesa-Spektrum zuzuordnende Demonstrationsteilnehmer*innen. …
… Zwei der drei Schwestern meiner Urgroßmutter und ihre Familien überlebten den Holocaust nicht. Sie wurden ermordet in den deutschen Konzentrationslagern, wie so viele andere, weil sie den wahnwitzigen Vorstellungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft von Rassenideologie und Existenzrecht nicht entsprachen.
Ihnen allen zum Gedächtnis, aber auch allen Opfern rechter Gewalt in der Bundesrepublik zur Mahnung, ist es unsere Pflicht, mit aller Entschlossenheit gegen rassistische Hetze und Gewalt auf die Straße zu gehen.
Meine, aber auch Ihre! …“