Technologie ist nicht neutral
Manuel Kellner
Altbekannt ist die Idee, ein Hammer könne dazu dienen Nägel oder Köpfe einzuschlagen. In ähnlichem Sinne schreibt Karl Marx im ersten Band des Kapital zur Maschinerie der modernen Industrie.
„Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Produzenten vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verpaupert usw., erklärt der bürgerliche Ökonom einfach, das Ansichbetrachten der Maschinerie beweise haarscharf, dass alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der gemeinen Wirklichkeit, aber an sich, also auch in der Theorie, gar nicht vorhanden sind.“ (MEW 23, 465.)
Kapitalistische Despotie
Wenn die für Lohn arbeitenden Menschen in frühkapitalistischer Zeit also zunächst die Maschinen zerschlugen, dann irrten sie sich in der Bestimmung ihres Feinds. Für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, Verkürzung der Arbeitszeit und gegen die Ausbeutung durch die Kapitalisten zu kämpfen, war dann Ausdruck eines besseren Verständnisses der Gründe ihrer verzweifelten Lage.
Bei Marx und seinem Freund Friedrich Engels gibt es auch genügend Textstellen, die belegen, dass sie die Despotie der modernen Industrie selbst überwinden wollten, zum Beispiel folgende: „Wenn der Mensch mit Hilfe der Wissenschaft und des Erfindergenies sich die Naturkräfte unterworfen hat, so rächen sich diese an ihm, indem sie ihn, in dem Maße, wie er sie in seinen Dienst stellt, einem wahren Despotismus unterwerfen, der von aller sozialen Organisation unabhängig ist.“ „Das Reich der Freiheit“ lag daher für Marx und Engels „jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion“. (MEW 25, 828.)
Zerstörung von Mensch und Natur
Beide schrieben auch immer wieder über die Zerstörung von Wäldern, die Vergiftung von Flüssen und Luft, die ruinöse Ausbeutung von Rohstoffen usw. Bei Marx erscheint die kapitalistisch entwickelte Technologie im Bereich der Landwirtschaft als am wenigsten neutral.
„Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt im Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozess. Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.“ (MEW 23, 529 f.)
Die Steigerung der Produktivkräfte war für Marx kein Selbstzweck. Sie sollte der Schaffung von möglichst viel freier Zeit dienen, in der die Menschen ihre Fähigkeiten und Anlagen schöpferisch und entwickeln. Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich ist auch deshalb schon jetzt von besonderer Bedeutung.
Eine sozialistische Gesellschaft muss auf überflüssige und schädliche Produktionen und manche mögliche Steigerung der Arbeitsproduktivität etwa durch energieintensive Produktionsverfahren verzichten. Deswegen ist die Konversion vieler Produktionen – zum Beispiel der Chlorchemie – im Sinne ökologischer Verantwortlichkeit unabdingbar.