Rings? Oder doch lie­ber Lechs? Kri­tik eines unan­stän­di­gen Angebots

Rings? Oder doch lie­ber Lechs?
Kri­tik eines unan­stän­di­gen Angebots

Ein Gespenst geht um in Euro­pa. Aber nein! Nicht das des Kom­mu­nis­mus. Das ist gera­de in Rekon­va­les­zenz. Ich mei­ne das Gespenst des Linkspopulismus.

Udo Filt­haut

Die so genann­ten Erfol­ge von rech­ten Ideo­lo­gien in fast ganz Euro­pa und ande­ren Tei­len der Welt erzeu­gen in so genann­ten links­ori­en­tier­ten Krei­sen den Wunsch, dage­gen zu steu­ern. Eine lin­ke, sozia­lis­ti­sche Welt­an­schau­ung ist ohne den bestän­di­gen Kampf auch gegen Rechts nicht denkbar. 
Da aber die mensch­li­che Lebens­zeit rela­tiv gering und über­schau­bar ist, kom­men einem zeit­ge­mä­ße Phä­no­me­ne wie z.B. rech­te Erfol­ge unglaub­lich groß und domi­nant, wir uns sel­ber aber klein und hilf­los vor. Dies erzeugt anschei­nend den Wunsch, grö­ßer zu wer­den. Mit Mit­teln von rechts abge­kup­fert, so a la „wenn die damit Erfol­ge haben, kön­nen wir dies auch“, wird es dann hof­fent­lich doch (Wahl-) Erfol­ge geben.

Aller­dings wird vie­ler­lei dabei übersehen. 
Was für Poli­tik ist dann noch zu machen, wenn, wie Pro­phe­ten die­ser gefähr­li­chen Leh­re for­dern, der Mar­xis­mus dekon­stru­iert und der dar­aus her­vor­ge­gan­ge­ne Begriff der Arbei­te­rIn­nen­klas­se als Phan­ta­sie­kon­strukt abge­lehnt wird? 
Men­schen wer­den als natio­na­le, aber homo­ge­ne Mas­se, als Volk gese­hen. Dies ist für mich nicht nur eine gro­be, holz­schnitt­ar­ti­ge Dar­stel­lung der Arbei­te­rIn­nen­klas­se, son­dern es sind selek­ti­ve, für den jewei­li­gen Zweck ent­spre­chend defor­mier­te „alter­na­ti­ve Fak­ten“. Auf die­ser (bewusst?) fal­schen Dar­stel­lung ruht das gesam­te Pro­dukt „Links­po­pu­lis­mus“.

Wie aber eine wis­sen­schaft­li­che Welt­an­schau­ung, wie sie der Mar­xis­mus ist, mit Annah­men, Falsch­be­haup­tun­gen und Zweck­lü­gen Erfol­ge haben soll, kann wie­der­um und zwangs­läu­fig eben­falls nur her­bei phan­ta­siert, her­bei gelo­gen werden.
Wie kann ein poli­ti­scher Ansatz, der auf cha­ris­ma­ti­sche Füh­re­rIn­nen baut und auf Wah­len fixiert ist, gleich­zei­tig eman­zi­pa­to­risch wir­ken und die Selbst­tä­tig­keit der Men­schen fördern?
Das Wich­tigs­te aber, wel­ches fata­ler­wei­se eh schon kaum noch wahr­ge­nom­men wird: Die Unver­ein­bar­keit von Kapi­tal und Lohn­ar­beit ver­schwän­de gänz­lich aus den Köpfen.

Wenn nicht mehr von der Arbei­te­rIn­nen­klas­se, son­dern vom Volk, nicht mehr von Arbeit für alle, son­dern von deut­scher Arbeit, und nicht mehr vom Kapi­ta­lis­mus, son­dern von den Bon­zen gere­det wird, wenn also akri­bisch ver­sucht wird, die Arbei­te­rIn­nen­klas­se zu Guns­ten des deut­schen Vol­kes unsicht­bar zu machen, um nicht­lin­ke Krei­se zu gewin­nen, wenn z. B. „Bestra­fung auch für migran­ti­sche Täter“ gefor­dert wird, wen gewinnt man dann? 
Oder noch schlim­mer: Was pas­siert, wenn die­se Tak­tik gar nicht den erträum­ten Erfolg haben wird? Wie völ­kisch geht es dann wei­ter, wenn unser Den­ken erst mal das Gift des Popu­lis­mus in sich trägt?
Wenn es dann doch so wäre, dass es kei­nen Links­po­pu­lis­mus gibt, son­dern ledig­lich Popu­lis­mus von Rech­ten, wel­che von sich glau­ben, sie wären Linke?

Eine klei­ne Aus­wahl aus den vie­len Tex­ten zum Weiterlesen
1. Selim Erg­u­nalp: Links­po­pu­lis­mus ‒ ein anti­ka­pi­ta­lis­ti­sches Kon­zept?, Die Inter­na­tio­na­le, Aus­ga­be 6/2017, Short­link: http://shortlinks.de/4ng9
2. Lutz Getz­schmann: Ein­heit der Arbeiter*Innenklasse vs. Bünd­nis von „Volks­klas­sen“, Die Inter­na­tio­na­le, Aus­ga­be 2/2018
3. Goes, Tho­mas E.; Bock, Vio­let­ta: Ein unan­stän­di­ges Ange­bot? Mit lin­kem Popu­lis­mus gegen Eli­ten und Rech­te, 2017, Papyrossa.
4. Ernes­to Laclau und Chan­tal Mouf­fe, Hege­mo­nie und Radi­ka­le Demo­kra­tie – Zur Dekon­struk­ti­on des Mar­xis­mus, 2006, Pas­sa­gen Verlag

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, März 2018
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