Andrea-Cora Walther
Die Funktion der Kommune in einer Demokratie hat die Chance, sich immer wieder den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger, die in ihr leben, anzupassen.
Die „Ordnungskommune“ alter Prägung ist nicht mehr angesagt.
Leitziel dieser Kommune war Rechtstaatlichkeit, die die Rolle der Kommune als Obrigkeit festschrieb. Die Kommune wurde gesteuert durch hoheitliches Handeln. Hierarchie war hier die Methode, die ihre Bürgerinnen und Bürger in ihrer Rolle als EmpfängerInnen hoheitlicher Anordnungen wahrnahm.
Immerhin sorgt auch eine solche Kommune für Information ihrer Bürgerinnen und Bürger. Und so finden sich auch in der Vorhabenliste der Stadt Oberhausen nur zwei „Vorhaben“, in denen noch nicht einmal „Information“ als Bürgerbeteiligungsformat vorgesehen sind – bei der Feuerwehrleitstelle und bei der Studie „Wohnen in Oberhausen 2017“.
Dafür gibt es leider viele Vorhaben, in denen nur „Information“ vorgesehen ist; immerhin 17 von 58, was knapp 30 % entspricht. Das schon als eine Form von „Bürgerbeteiligung“ zu definieren, ist allerdings fragwürdig. In Zeiten von der Geltung eines „Informationsfreiheitsgesetzes“ sollte Information doch so selbstverständlich sein, dass es keiner Erwähnung bedarf?
Aber es gibt ja durchaus höhere Formen der Bürgerbeteiligung. Und auch in der Vorhabenliste der Stadt Oberhausen ist als nächste Stufe des Gestaltungsspielraums der Beteiligung die „Anhörung“ genannt. Ganze sieben Vorhaben kommen auf die Stufe der Anhörung zur Bürgerbeteiligung.
Die Kommune als Dienstleister
Und tatsächlich über die Hälfte der Vorhaben sehen sogar eine Beratung vor (30 von 58). Damit aber kommen wir schon fast zu einem veränderten Verständnis von Kommune. Weg von Obrigkeit und Hierarchie hin zu Dienstleistung und Kundenorientierung.
Die Kommune als Dienstleister. Die Bürgerinnen und Bürger als Kundinnen und Kunden. Die Steuerungsmethode ist das Management.
Das scheint sich mit dem Verständnis auch der Verwaltung der Stadt Oberhausen zu decken, wenn es um Bürgerbeteiligung geht. So kann man hier auf der Homepage der Stadt unter dem Stichwort „Bürgerbeteiligung“ lesen:
„Bürgerbeteiligung braucht Meinungsaustausch, Transparenz und selbstverständlich auch Kritik, die wir als Chance und nicht als Bedrohung begreifen. […]
Bürgerbeteiligung zu stärken – das ist ein wichtiges Anliegen der Stadt Oberhausen. Beteiligung eröffnet die Möglichkeit für alle betroffenen und interessierten Personen, ihre Anliegen bei der Entwicklung von Plänen, Programmen und politischen Prozessen zu vertreten und einzubringen. Die Mitwirkung an Entscheidungsprozessen erfordert Einsatzbereitschaft und den Willen zum Dialog und gegenseitigem Verständnis.“
„Immerhin“, freut sich die Laiin, aber die Fachfrau wundert sich. Soll das alles gewesen sein? Sind wir nicht schon weiter? Haben wir so wenig Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger, dass wir zufrieden sein können, wenn sie einmal alle fünf bis sechs Jahre bei Kommunalwahlen, alle vier bis fünf Jahre die Landtage und alle vier Jahre den Deutschen Bundestag durch die Abgabe ihrer Stimme tatsächlich „mit“bestimmen?
„Mitbestimmung“ ist die höchste Form der Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern. Sie findet sich exakt zwei Mal in der Vorhabenliste der Stadt Oberhausen; so bei der „Zukunftsstadt“ und bei den „Sporthallenpaten“. Tatsächlich konnte dann fix per „Dekret(?)“ von der Verwaltungsleitung in der Ratssitzung am 25. Juni 2018 diese Form des Gestaltungsspielraumes für Bürgerbeteiligung auf weitere Vorhaben ausgeweitet werden. So werden Spielplatzplanungen schon lange unter starker Beteiligung und Mitbestimmung der anwohnenden Bürgerinnen und Bürger durchgeführt.
Kein Recht auf Beteiligung
Ansonsten zieht sich Oberhausen auf geltendes Recht zurück. Die Stadt als Ordnungskommune, die für die Rechtstaatlichkeit zu sorgen hat und als Obrigkeit die Bürgerinnen und Bürger hierarchisch leitet. Diese Stadt muss nicht beteiligen. Neben dem Verfahren zur Aufstellung von Bebauungsplänen ist eine Bürgerbeteiligung in Baugenehmigungsverfahren, die sich nach Landesrecht richten, nicht vorgesehen. (Zitiert aus der Antwort der Dezernentin Sabine Lauxen zur Anfrage 27 von 2018.)
So ist diese Entscheidung im Rat der Stadt vom 18. Mai 2015, ein Konzept zur „Bürgerbeteiligung in Oberhausen“ zu entwickeln, schon völlig freiwillig (Drucksache Nr. B/16/0805-01). Wenn dann als zentraler Bestandteil des Ratsbeschlusses vom Mai 2015 die Erstellung einer Vorhabenliste vorgesehen ist, ist das völlig freiwillig. Und wenn dann in dieser Vorhabenliste bei einigen Bauvorhaben durchaus auch Bürgerbeteiligung bis hin zu Beratung vorgesehen ist, dann ist das völlig freiwillig.
Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ohne Rechtsanspruch, ohne Rechtsanspruch zumindest auf „Gleichmäßigkeit“ der Beteiligung bei vergleichbaren Vorhaben, ohne Möglichkeit, für die Nicht-Beteiligung wenigstens eine Begründung zu erhalten, ist: „Willkür“.
Und auf jeden Fall weit, weit weg vom Ziel einer „Bürgerkommune“. Eine Kommune, die Teilhabe aller ermöglicht. Eine Kommune, die jedem Beteiligten zutraut, dass jeder etwas einbringen kann in einen Entscheidungsprozess. Eine Kommune, in der professionelle MitarbeiterInnen den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt auf Augenhöhe begegnen.
Wem gehört die Stadt?
Der Verwaltung?
Der Politik, die dieser Verwaltung die politischen Ziele vorgibt und sie kontrolliert?