Bericht über Film­vor­füh­rung: „Das ist unser Streik“ Neupack

Bericht über die Film­vor­füh­rung: „Das ist unser Streik“ (Teil1)

Streik bei Neu­pack – ein lehr­rei­cher Arbeitskampf

Am 26. Mai zeig­te der Akti­ons­kreis gegen Unter­neh­mer­will­kür (AKUWILL) im Ober­hau­se­ner Gewerk­schafts­haus den Film „Das ist unser Streik“, eine Doku­men­ta­ti­on des Arbeits­kamp­fes bei Neu­pack 2012/2013. Anwe­send waren auch zwei der Fil­me­ma­che­rIn­nen, Hajo Rieck­mann und Pusch­ki Aal­ders. Sie beant­wor­te­ten Fra­gen rund um den Film und den Streik und steu­er­ten Infor­ma­tio­nen zur aktu­el­len Situa­ti­on bei dem Ver­pa­ckungs­her­stel­ler bei.

Petra Sta­ni­us

Der Arbeits­kampf bei Neu­pack war etwas Beson­de­res. Mehr als neun Mona­te lang streik­te eine ent­schlos­se­ne Beleg­schaft, um die Eigen­tü­mer­fa­mi­lie zum Abschluss eines Haus­ta­rif­ver­tra­ges zu zwin­gen. Die IG BCE woll­te bei Neu­pack ein Exem­pel sta­tu­ie­ren. Es war der längs­te Arbeits­kampf in der Geschich­te die­ser Gewerk­schaft. Das Ziel des Arbeits­kamp­fes wur­de den­noch nicht erreicht. Statt­des­sen gab es als Ergeb­nis ver­schie­de­ne Betriebs­ver­ein­ba­run­gen, Abre­den mit dem Betriebs­rat und ein­zel­ver­trag­li­che Zusa­gen. Der Streik war der IG BCE aus den Hän­den geglit­ten und schließ­lich zusammengebrochen.

Schwie­ri­ge Ausgangsbedingungen
Dass sich gera­de die Kol­le­gIn­nen von Neu­pack so ent­schlos­sen gegen die von den Eigen­tü­mern prak­ti­zier­te Will­kür zur Wehr gesetzt haben, ist bemer­kens­wert. Denn meh­re­re Spal­tungs­li­ni­en lie­fen quer durch die Beleg­schaft. Nach sub­jek­ti­ven Kri­te­ri­en wur­den gleich­wer­ti­ge Tätig­kei­ten unter­schied­lich bezahlt. Etwa die Hälf­te der Beschäf­tig­ten waren Frau­en, die nicht selbst­ver­ständ­lich den glei­chen Lohn beka­men wie ihre männ­li­chen Kol­le­gen. Weni­gen gut bezahl­ten Füh­rungs­kräf­ten und Ange­stell­ten stand eine gro­ße Anzahl pre­kär Beschäf­tig­ter gegen­über. Kol­le­gIn­nen ver­schie­de­ner Natio­na­li­tä­ten spra­chen unter­schied­li­che Spra­chen und es gab zwi­schen ihnen gegen­sei­ti­ge Vorbehalte .
Die Geschäfts­lei­tung hat­te somit aller­lei Mög­lich­kei­ten, die Kol­le­gIn­nen ent­lang die­ser Spal­tungs­li­ni­en gegen­ein­an­der in Stel­lung zu brin­gen und den gemein­sa­men Wider­stand zu unter­gra­ben. Dass dies weit­ge­hend nicht gelang, dar­an hat­te der Betriebs­rats­vor­sit­zen­de Murat Günes gro­ßen Anteil, der inner­halb der Beleg­schaft als inte­grie­ren­de Kraft wirk­te. Über zehn Jah­re lang hat­te er bereits den Zusam­men­halt der Kol­le­gIn­nen aktiv geför­dert und Ver­trau­en unter­ein­an­der auf­ge­baut, indem er sich per­sön­lich auch um die Belan­ge von ein­zel­nen geküm­mert hat.
Nicht die gesam­te Beleg­schaft war an dem Streik betei­ligt. Das Ver­hält­nis Strei­ken­de-Nicht­strei­ken­de betrug etwa 110 zu 85, wobei der gesam­te Ange­stell­ten­be­reich sich nicht betei­lig­te und sich auch nicht soli­da­risch zeig­te. Ein Teil der weib­li­chen Beschäf­tig­ten trat erst mit dem Streik in die Gewerk­schaft ein, hat sich dann aber mit vol­lem Ein­satz an dem Arbeits­kampf betei­ligt. Sie nutz­ten wie ande­re Kol­le­gIn­nen die Chan­ce, sich durch die Über­nah­me neu­er Auf­ga­ben weiterzuentwickeln.

Zum Film
In dem Film kommt die Unter­neh­mens­lei­tung als Akteu­rin nur am Ran­de vor. Dies begrün­de­ten die Fil­me­ma­che­rIn­nen damit, dass sie die Eigen­tü­mer­fa­mi­lie Krü­ger nicht für span­nend hiel­ten. Sie sei­en nur Kapi­ta­lis­tIn­nen wie alle ande­ren, die eben Geld ver­die­nen wol­len. Im Zen­trum des Films ste­hen dar­um die ande­ren Betei­lig­ten: die Beleg­schaft, die Gewerk­schaft IG BCE und die Unter­stüt­ze­rIn­nen des Streiks. Das Vor­ge­hen der IG BCE und die Grün­de für den Zusam­men­bruch des Streiks sol­len kri­tisch beleuch­tet wer­den. Dabei geht es nicht dar­um, die Gewerk­schaft anzu­grei­fen. Viel­mehr will der Film dazu auf­for­dern, es künf­tig bes­ser zu machen. Die IG BCE ist über die­se Doku­men­ta­ti­on nicht glück­lich. Ob in der Gewerk­schafts­zen­tra­le in Han­no­ver dar­über dis­ku­tiert wur­de, ist den Fil­me­ma­che­rIn­nen nicht bekannt. Die IG BCE in Ham­burg jeden­falls woll­te den Film nicht vor­füh­ren. Statt­des­sen wur­de er von ver.di im Gewerk­schafts­haus gezeigt. Den Kol­le­gIn­nen von Neu­pack dage­gen hat der Film gut gefallen.
„Das ist unser Streik“ hat in der Gewerk­schafts­be­we­gung vie­le Dis­kus­sio­nen aus­ge­löst: War­um ist es nicht gelun­gen, den „Arbeit­ge­ber“ in einen Tarif­ver­trag zu zwingen?
Die Aus­ein­an­der­set­zung mit der Stra­te­gie der IG BCE beim Arbeits­kampf bei Neu­pack ist eines der Haupt­the­men der Doku­men­ta­ti­on. Eine zen­tra­le Fra­ge der Stra­te­gie war die, wie der nöti­ge Druck auf die Eigen­tü­mer­fa­mi­lie aus­ge­übt wer­den konn­te. Ein über neun Mona­te andau­ern­der Kampf ist zer­mür­bend. Der Arbeits­kampf wur­de in die Öffent­lich­keit gebracht, da er nicht allein im Betrieb gewon­nen wer­den konn­te. Unter­stüt­zung der Strei­ken­den von außen gab es vor allem am Stand­ort Ham­burg. Am zwei­ten Stand­ort Rothen­burg, der recht abge­le­gen ist, war dies nicht in glei­cher Wei­se mög­lich. Die Unter­stüt­zung war auch nur sym­bo­li­scher Natur. Nicht wei­te­re Unter­stüt­zung vom DGB und von Nach­bar­be­trie­ben mobi­li­siert zu haben wur­de auf der Ver­an­stal­tung als eine Schwä­che des Arbeits­kamp­fes bezeichnet.

Stra­te­gie­fra­gen
Ein Teil­neh­mer stell­te die The­se auf, dass Streiks heu­te nur noch erfolg­reich sein kön­nen, wenn ande­re Berei­che sich soli­da­ri­sie­ren. Andern­falls brä­che der Streik zusam­men, wenn die Geschäfts­lei­tung hart­nä­ckig blei­be und sich zu kei­ner­lei Zuge­ständ­nis­sen bereit erklä­re. Ein ande­rer Teil­neh­mer wider­sprach die­ser Aus­sa­ge, da es genü­gend Gegen­bei­spie­le gäbe, die dies widerlegten.
Bei die­ser Fra­ge spielt sicher­lich eine Rol­le, wie viel wirt­schaft­li­chen Druck die Strei­ken­den aus eige­ner Kraft aus­üben kön­nen, um ihren For­de­run­gen Nach­druck zu ver­lei­hen. Der Streik der Lok­füh­re­rIn­nen bei­spiels­wei­se hat unmit­tel­ba­re und erheb­li­che finan­zi­el­le Kon­se­quen­zen für das Unter­neh­men. Die Arbeits­nie­der­le­gung der Erzie­he­rIn­nen dage­gen führt bei den Kom­mu­nen sogar zu Ein­spa­run­gen, da sie wäh­rend des Streiks deren Lohn nicht zah­len müs­sen. Somit sind zum Bei­spiel die Erzie­he­rIn­nen drin­gend auf Soli­da­ri­täts­streiks ande­rer Berei­che ange­wie­sen, die den nöti­gen wirt­schaft­li­chen Druck erzeu­gen kön­nen, um die „Arbeit­ge­ber“ zum Ein­len­ken zu veranlassen.

Der zwei­te und letz­te Teil folgt in der nächs­ten Avan­ti O..

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti 235, Juli/August 2015
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