Die Hälfte des Himmels … ?
Das ist nicht nur ein Buchtitel, sondern war auch einer der Slogans der 2. Frauenbewegung, abgeleitet wohl von einem chinesischen Sprichwort: Frauen tragen die Hälfte des Himmels. Uns liegt das Irdische näher, also wie viel vom „Himmel“ auf Erden haben wir schon erreicht?
B. S.
Die lange Debatte um die Groko führt uns direkt zu der Frage, wie viel Anteil an der Organisation und Verwaltung des „Himmels“ wird uns denn gewährt?
Annähernd 100 Jahre haben Frauen in Deutschland das Wahlrecht. Mit der Novemberrevolution 1918 hatte ein langer Kampf diese Selbstverständlichkeit, wie die Sozialdemokratin Marie Juchacz sagte, durchgesetzt. Und immerhin schon 1993 hatten wir die erste Ministerpräsidentin eines Bundeslandes und 2005 eine Bundeskanzlerin. Der Fortschritt ist halt eine Schnecke! Nun noch einige Beispiele aus europäischen Parlamenten:
Der Anteil der Parlamentarierinnen:
Schweden 46,1 %
Österreich 31,1 %
Deutschland 30,7 %
Ungarn 10,1 %.
Den höchsten Frauenanteil im deutschen Bundestag haben die Grünen mit 58 %, die Linke überschreitet die Hälfte geringfügig mit 53 %.
Frauenarbeit
Aber mit der Forderung nach der Hälfte des „Himmels“ denken wir nicht vordringlich an Wahlen, sondern an unser Alltagsleben. Wir denken an die Arbeitsbedingungen, an die Einkommen, an die alltäglichen häuslichen Bedingungen. Dieses Jahr ist der 18. März „Equal Pay Day“, der Tag, von dem an Frauenlöhne Männerlöhnen entsprechen. Eine Lücke von elf Wochen.
Wie ist Frauenarbeit generell beschaffen? Trotz des Ausbaus der Kinderbetreuung in Tagesstätten und Ganztagsschulen bleibt Frauen mit Kindern in der Regel der Teilzeitjob. Statistisch arbeiten zwei Drittel der Frauen mit einem Kind unter sieben Jahren Teilzeit, d.h. durchschnittlich 24,2 Stunden, Männer dagegen mindestens 40 Stunden. Wir meinen hier Erwerbsarbeit. Hausarbeit und im weitesten Sinne Care- (Sorge) arbeit leisten immer noch vorwiegend Frauen. Nicht umsonst ist eine Forderung auch des Frauentags die 30 Stunden-Arbeitswoche bei Lohn- und Personalausgleich.
Selbstbestimmung
Ein gutes Beispiel für die Forderung nach Selbstbestimmung ist das Recht auf Schwangerschaftsunterbrechung. In der Bundesrepublik hat sich die Möglichkeit, über die eigene Gebärfähigkeit zu entscheiden, erheblich verbessert. Dass sich aber irgendwelche „Lebensschützer“ anmaßen, das „Ungeborene“ schützen zu müssen, bleibt nicht aus. Wie bigott das Verhalten ist, lässt sich an der Auseinandersetzung mit dem § 219a ablesen. ÄrztInnen, die anzeigen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, werden wegen eines Verstoßes gegen § 219a angeklagt, da sie vermeintlich Werbung betrieben haben, die dieser Paragraph untersagt. Wie Frauen sich informieren können, ist nicht so wichtig.
Die Verurteilung der Giessener Ärztin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe hat zu einer breiten Kampagne gegen den § 219a geführt und zu einer Gesetzesinitiative für seine Abschaffung. FDP, Linke und Grüne sind für seine Abschaffung, die SPD hat sich wieder zurückgezogen, der Groko zuliebe. Die CDU/CSU ist für Beibehaltung, und schon unterstellt der neue Gesundheitsminister Spahn den KämpferInnen gegen den Paragrafen, sich mehr um den Tierschutz als um das menschliche Leben zu kümmern.
Sich vor eine Beratungsstelle mit einem Schild zu stellen, das einen Fötus abbildet, der äußert: „Ich will leben“, ist schon menschenverachtend.
Dazu passt auch, dass der Berufsverband der Frauenärzte durch die Zunahme der Schwangerschaftsabbrüche alarmiert ist. 2016 waren es 98.721 Abbrüche, 2017 aber 101.209! Schuld daran könnte unter anderem sein, dass die ApothekerInnen nicht gut genug über den Gebrauch der „Pille danach“ informieren. Die Pille gibt es seit 2015 rezeptfrei! Interessant dabei ist, dass der Alarm schon weniger gewichtig wird, wenn mensch andere Zahlen zugrunde legt. Die Abbrüche bei 10.000 Frauen zwischen 15 und 19 Jahren bewegen sich seit 2008 zwischen 56 und 59 Abbrüchen, 2017 waren es 58!
Es gibt noch viele Leerstellen in der „Hälfte des Himmels“, wir haben noch einiges zu tun!