Frau­en­quo­te? Ja, bitte!

Frau­en­quo­te? Ja, bitte!

Die Frau­en­quo­te ist im Kampf für die völ­li­ge Gleich­stel­lung der Geschlech­ter uner­läss­lich. Die­se Mei­nung ver­trat die Gewerk­schaf­te­rin Mar­gret Mönig-Raa­ne1 in ihrem Refe­rat auf der ver­di-Frau­en­kon­fe­renz2 in Hagen Anfang Novem­ber ent­schie­den. Der fol­gen­de Arti­kel bezieht sich auf ihre dort ver­tre­te­nen Thesen.

P.S.

Wenn heu­te in den Medi­en von der Frau­en­quo­te die Rede ist, geht es meist um die Quo­tie­rung in Auf­sichts­rä­ten von Dax-Unter­neh­men. Es ist nun nicht mehr mög­lich, Frau­en bei der Beset­zung die­ser Pos­ten ein­fach zu über­ge­hen. Statt­des­sen müs­sen geeig­ne­te Frau­en gesucht wer­den. Es han­delt sich hier also durch­aus um einen Schritt in Rich­tung Gleich­stel­lung der Geschlech­ter. Da davon jedoch nur eine klei­ne Min­der­heit pro­fi­tiert, kann von einem ent­schei­den­den Schritt nicht die Rede sein.

Es ist weni­ger von Belang, dass die höchs­ten Pos­ten auch Frau­en offen ste­hen. Von dort wird kaum ein ent­schei­den­der Impuls für gesell­schaft­li­che Ver­än­de­run­gen aus­ge­hen. Dies liegt nicht nur an der rela­tiv gerin­gen Zahl der Spit­zen­po­si­tio­nen, son­dern auch an dem enor­men Anpas­sungs­druck, der nicht zuletzt durch die Anfor­de­run­gen des real exis­tie­ren­den Kapi­ta­lis­mus herrscht.
Die Quo­tie­rung an sich – und zwar eine ver­bind­lich vor­ge­schrie­be­ne – ist aber in der Tat unver­zicht­bar. Dabei beinhal­tet eine ver­pflich­ten­de Frau­en­quo­te zwei­er­lei: Zum einen, dass nicht durch Frau­en besetz­te Pos­ten unbe­setzt blei­ben. Zum ande­ren, dass es Sank­ti­ons­mög­lich­kei­ten gibt, um die Quo­te durchzusetzen.

Nicht, dass die Quo­te schon die Eman­zi­pa­ti­on der Frau­en wäre. Aber sie schafft die Vor­aus­set­zun­gen, um über­haupt eine nen­nens­wer­te Ände­rung des Geschlech­ter­ver­hält­nis­ses her­bei­füh­ren zu kön­nen. Sie stellt durch die Bevor­zu­gung von Frau­en schlicht zu einem gewis­sen Grad die Chan­cen­gleich­heit gegen­über Män­nern her. Der Bedarf besteht in Wirt­schaft, Staat, Par­tei­en, Gewerk­schaf- ten etc. – und jeweils auf allen Ebe­nen. Damit wären Frau­en gene­rell Nutz­nie­ße­rin­nen von Quo­tie­rung und könn­ten tat­säch­lich etwas verändern.

Ein Ansatz­punkt könn­te hier die Wand­lung der in den Unter­neh­men herr­schen­den Kul­tur sein, wie von Mar­gret Mönig-Raa­ne bei­spiel­haft in ihrem Refe­rat ange­führt wur­de. Sie ist der Mei­nung, dass Frau­en durch die herr­schen­de Unter­neh­mens­kul­tur aus­ge­grenzt wür­den, da die­se nicht mit den immer noch haupt­säch­lich bei den Frau­en lie­gen­den fami­liä­ren Pflich­ten ver­ein­bar sei­en. Von der Ein­füh­rung der Quo­te ver­spricht sie sich eine schritt­wei­se Ver­än­de­rung weg von der heu­te übli­chen jeder­zei­ti­gen Ver­füg­bar­keit der Beschäftigten.

In der Tat wür­de hier ein Span­nungs­feld ent­ste­hen zwi­schen der Erfül­lung der (gesetz­li­chen) Quo­te einer­seits und der Erle­di­gung der gesell­schaft­lich not­wen­di­gen Sor­ge­ar­beit ande­rer­seits. Die an Erwerbs­tä­ti­ge gestell­ten Anfor­de­run­gen von hoher Fle­xi­bi­li­tät könn­ten auf die­se Wei­se in Fra­ge gestellt wer­den, da stän­di­ge Ver­füg­bar­keit nicht mehr vor­aus­ge­setzt wer­den könnte.
Bei ver.di soll sich die per Sat­zung ver­pflich­tend ein­ge­führ­te Frau­en­quo­te ent­spre­chend posi­tiv aus­ge­wirkt haben.

Vie­le enga­gier­te Femi­nis­tin­nen waren ursprüng­lich Geg­ne­rin­nen der Quo­te, unter dem Mot­to: „Wir Frau­en sind stark genug, wir brau­chen so etwas nicht!“ Wer will schon eine „Quo­ten­frau“ sein, zumal wenn die Qua­li­fi­ka­tio­nen vor­han­den sind, um mit den Män­nern locker mit­hal­ten zu können?
Die­se Sicht der Din­ge hat sich nicht nur bei Mar­gret Mönig-Raa­ne im Lau­fe der Jah­re geän­dert. Denn einer­seits wur­de bis heu­te viel erreicht, ver­gli­chen mit dem Stand der 1970er Jah­re. Das Fami­li­en­recht wur­de refor­miert. Frau­en­er­werbs­tä­tig­keit hat deut­lich zuge­nom­men. Ande­rer­seits aber blieb vie­les beim Alten.

Eine Durch­mi­schung der Beru­fe ist weit­ge­hend aus­ge­blie­ben. Frau­en sind auch heu­te noch über­wie­gend in schlecht bezahl­ten „Frau­en­be­ru­fen“ tätig. Dabei ste­hen ihnen heu­te viel­fäl­ti­ge Mög­lich­kei­ten für Bil­dung und Aus­bil­dung offen. Sta­tis­tisch gese­hen haben sie die bes­se­ren Abschlüs­se. Den­noch zie­hen schlech­ter qua­li­fi­zier­te Män­ner im Beruf bald an ihnen vor­bei. Auch die unter­schied­li­che Bewer­tung von „Män­ner­ar­beit“ und „Frau­en­ar­beit“ zeigt ihre Aus­wir­kun­gen. Die schlech­te­re Bezah­lung von Frau­en führt nicht „nur“ zu Armut trotz Arbeit und zu Alters­ar­mut, son­dern fes­tigt auch die tra­di­tio­nel­le Arbeits­tei­lung. Es ist nahe lie­gend, dass die schlech­ter ver­die­nen­de Part­ne­rin ihren Beruf für die Fami­li­en­ar­beit aufgibt.
Es stellt sich die Fra­ge, nach wel­chen Kri­te­ri­en der Wert einer Tätig­keit bemes­sen wird: Das Niveau der benö­tig­ten Qua­li­fi­ka­ti­on kann es nicht sein, und auch nicht der Grad an Ver­ant­wor­tung, den die Tätig­keit mit sich bringt. Es stellt sich außer­dem die Fra­ge, war­um Mäd­chen vor­wie­gend schlecht bezahl­te Beru­fe wäh­len. Kann hier tat­säch­lich von frei­er Berufs­wahl gemäß den eige­nen Nei­gun­gen aus­ge­gan­gen wer­den, wenn vor dem Hin­ter­grund von Mas­sen­er­werbs­lo­sig­keit und Man­gel an Aus­bil­dungs­plät­zen für bestimm­te Tätig­kei­ten gezielt Mäd­chen und Frau­en gesucht werden?
Ohne Frau­en­quo­te wird sich hier­an nichts Ent­schei­den­des ändern.

Gro­ßen Wert legt Mar­gret Mönig-Raa­ne auf die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten der ein­zel­nen Frau und auf die Not­wen­dig­keit eigen­ver­ant­wort­li­chen Han­delns. Nicht nur die Rah­men­be­din­gun­gen, son­dern auch das Ver­hal­ten der Män­ner und Frau­en am Arbeits­platz führ­ten dazu, dass Frau­en im Arbeits­le­ben den Kür­ze­ren zögen. Die Gewerk­schaf­te­rin sieht sowohl bei Män­nern als auch bei Frau­en ein Selbst­wert­pro­blem, dass sich bei den Geschlech­tern unter­schied­lich äußert. Bei Män­nern meint sie das Platz­hirsch­ver­hal­ten, bei Frau­en das Sich-klein­ma­chen. Frau­en kri­ti­sier­ten ihrer Mei­nung nach das männ­li­che Ver­hal­ten zu wenig, assis­tier­ten zu viel und hät­ten zu viel fal­sche Bescheidenheit.

Sie warnt Frau­en davor, sich als Opfer zu sehen. Dies ist ein­leuch­tend: Wer in der Opfer­rol­le ist, ist Objekt und ohn­mäch­tig. „Ver­ant­wor­tung für die eige­ne Situa­ti­on haben“ darf nicht ver­wech­selt wer­den mit „Schuld an der eige­nen Situa­ti­on sein“. Die Über­nah­me von Ver­ant­wor­tung für sich selbst macht Eman­zi­pa­ti­on erst mög­lich. Denn sich eman­zi­pie­ren heißt: sich aus der Vor­mund­schaft lösen. Eman­zi­pa­ti­on bedeu­tet damit, sich auf die eige­ne Kraft zu ver­las­sen und auch, sich selbst zu mögen. Eman­zi­pa­ti­on bedeu­tet, dass Frau­en ihren eige­nen Weg suchen – und nicht ein­fach Män­ner kopieren.

Die gesell­schaft­li­che Dimen­si­on von Frau­en­un­ter­drü­ckung darf bei aller per­sön­li­cher Ver­ant­wor­tung nicht aus den Augen ver­lo­ren wer­den. Genau­so wenig wie die Tat­sa­che, dass es kei­ne Gesell­schaft mit gleich­be­rech­tig­ten Män­nern und Frau­en geben kann, so lan­ge wie es die Aus­beu­tung des Men­schen durch den Men­schen durch Lohn­ar­beit gibt. Es kann sich aber sowohl im klei­nen wie im gro­ßen Rah­men posi­tiv etwas ver­än­dern, wenn Frau­en aktiv wer­den, sich gewerk­schaft­lich orga­ni­sie­ren und wenn sie soli­da­risch sind. Die Indi­vi­dua­li­sie­rung und Ato­mi­sie­rung der Gesell­schaft hat auch vor Frau­en nicht Halt gemacht. Frau­en ver­tre­ten nicht auto­ma­tisch Fraueninteressen.
Und egal, ob in der Gesell­schaft oder am Arbeits­platz: Geschenkt wird nichts.

1 Mar­gret Mönig-Raa­ne, geb. 03.06.1948, ist u. a. ehe­ma­li­ge stell­ver­tre­ten­de Vor­sit­zen­de von ver.di
In Erin­ne­rung ist sie auch durch ihre „kon­struk­ti­ve Mit­ar­beit“ als Vor­stands­ver­tre­te­rin in der Hartz-Kommission.
2 Gemein­sa­me ver.di-Frauenkonferenz NRW der Lan­des­be­zirks­fach­be­rei­che 5 (Wis­sen­schaft, Bil­dung und For­schung) und 13 (Beson­de­re Dienst­leis­tun­gen), Hagen, 7. Novem­ber 2014.

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti 229, Janu­ar 2015
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