Statt Scherz, Sati­re und … Ein wenig über einen fast ver­ges­se­nen Genos­sen und Lyriker

Ernst Kocha­now­ski

Hein­rich Kämp­chen waren Scherz, Sati­re und tie­fe­re Bedeu­tung nicht fremd. Im Gegen­teil: Sie waren Teil sei­nes Geis­tes, gehör­ten in sei­nen Lyrik­werk­zeug­kas­ten und waren auch nötig, um die Här­te und Gemein­heit der Welt mit Poe­sie zu bekämp­fen, und damit auch noch Zeug­nis zu geben von einer Zeit, die nur schein­bar ver­gan­gen ist.
Hein­rich Kämp­chen, gebo­ren am 23. Mai 1847 in Alten­dorf bei Essen, gestor­ben am 6. März 1912 in Bochum-Lin­den, war Berg­mann und Dich­ter. Wegen sei­ner poli­ti­schen Akti­vi­tä­ten als Füh­rer im gro­ßen Streik von 1889 kam er auf die „Schwar­ze Lis­te“ und wur­de in kei­ner Zeche mehr ein­ge­stellt. Bis zu sei­nem Tod muss­te er von einer kar­gen Knapp­schafts­ren­te und den gerin­gen Abdruck­ho­no­ra­ren für sei­ne Gedich­te leben.

Sein gan­zes Leben lang trat er aber uner­müd­lich für den Zusam­men­halt aller Arbeiter*innen in allen Gewerk­schaf­ten ein – auf Ver­samm­lun­gen, Kon­gres­sen und in sei­nen Gedichten. 
Wer bei Gedich­ten an die gereim­te lau­ni­ge „Poe­tik“, wie sie uns aus Kalen­dern, Prunk­sit­zun­gen, Ver­eins­fei­ern und ähn­li­chen Anläs­sen bekannt ist, denkt, liegt ganz schön daneben. 
Hein­rich Kämp­chens Gedich­te sind genaue Schil­de­run­gen einer Arbeits- und Lebens­welt, wel­che noch bis in unse­re Zeit nach­wirkt. Er hat begrif­fen, was Sache ist, und er hat auch begrif­fen, dass sein Mit­tel, dafür zu kämp­fen, das Dich­ten ist.

Das Hand­werk des Lyri­kers hat er so gut gelernt, dass sei­ne Dich­tung oft kla­rer und auf­rüt­teln­der war als übli­che Flug­blät­ter und Pam­phle­te. Lar­moy­anz fin­det mensch dort nicht, und Kitsch­ge­füh­le wer­den nicht befrie­digt. Aber die Här­te des Lebens in Aus­beu­tung wird unver­blümt und ohne roman­ti­sche und pathe­ti­sche Über­hö­hung dar­ge­stellt und die Lösung gezeigt. 
Und die heißt immer schon, damals wie heu­te, Soli­da­ri­tät: „Seid einig, seid einig – dann sind wir auch frei!“
Wenn wir die Begrif­fe Berg­mann, Stei­ger und Zeche in die heu­ti­ge Arbeits­welt über­set­zen, sehen wir eine fast beklem­men­de Aktua­li­tät sei­ner Gedich­te über Abhän­gig­keit, Aus­beu­tung, man­geln­den Gesund­heits­schutz, aber auch deren Bei­be­hal­tung durch eine gewalt­tä­ti­ge Obrigkeit.

Zum Bei­spiel damals um 1870/80:
Die Zechen­ba­ro­ne woll­ten mehr Pro­fit. Staats­mi­nis­ter Achen­bach bat sei­nen Kum­pan Minis­ter von Man­teuf­fel um Rat, wie man Arbeits­zeit­er­hö­hung bei gleich­zei­ti­ger Lohn­kür­zung durch­set­zen kön­ne. Von Man­teuf­fel, schnei­dig, nie­der­träch­tig und gemein: „ Die Flin­te schießt, der Säbel haut!“
Und heu­te? Bos­sing, Mob­bing, Ver­fol­gung und sogar Ermor­dung von Gewerkschafter*innen, Betriebs­rä­ten und allen Kämpfer*innen gegen Aus­beu­tung und Zer­stö­rung dau­ern immer noch fort und fort. Auch durch deut­sche Unter­neh­men und Kon­zer­ne, und wo immer in der Welt die Obrig­keit dies erlaubt, för­dert oder dafür von die­sen bezahlt wird.

Sol­cher Ord­nung Fortbestehn
muss auf’s schärfs­te ich bemängeln:
Möge sie zum Teu­fel gehen
oder zu den lie­ben Engeln!“
aus „Weih­nachts­ge­dan­ken eines Arbeits­lo­sen“ H.K. 1894

Weni­ge Tage nach sei­nem Tod begann am 11. März 1912 im Ruhr­ge­biet der drit­te gro­ße Streik. Die­ser schei­ter­te jedoch an der Unei­nig­keit: Der christ­li­che Gewerk­ver­ein for­der­te sei­ne Mit­glie­der zur Been­di­gung des Streiks auf. 
„Nur Toren und Ver­rä­ter tei­len uns geschwind in Chris­ten und Nicht­chris­ten, wo wir doch Brü­der sind.“

Heinrich Kämpchens Ehrengrab auf dem Friedhof Bochum-Linden. Foto: Maschinenjunge - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30473931.

Hein­rich Kämp­chens Ehren­grab auf dem Fried­hof Bochum-Lin­den. Foto: Maschi­nen­jun­ge - Eige­nes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=30473931.

aus der Avan­ti O. Dezem­ber 2020
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