„Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern!“
Teil 1: Die Rote-Hilfe in der Weimarer Republik
Am 12. Mai 2015 fand im Linken Zentrum in Oberhausen eine Veranstaltung zur Geschichte der Roten-Hilfe statt. Schwerpunkte waren ihre Entstehung und ihre Aktivitäten in der Weimarer Republik sowie der antifaschistische Widerstand der Roten Hilfe ab 1933. Die Referentin schilderte anschaulich, auf welche Weise praktische Solidarität mit politisch Verfolgten geübt wurde, wer die Aktiven waren, und welche Rolle ihre Arbeit für den Klassenkampf und den Widerstand gegen die Nazis gespielt hat. Auch im Ruhrgebiet.
P.S.
Die Veranstaltung wurde von der Roten Hilfe OG Oberhausen / Westliches Ruhrgebiet in Zusammenarbeit mit dem Hans-Litten-Archiv1 organisiert und im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zum Tag der Befreiung am 8. Mai durchgeführt.
Die Referentin stellte zu Beginn den heutigen Verein Rote-Hilfe e. V. sowie das Hans-Litten-Archiv vor. Dann berichtete sie, wie die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) entstanden ist und wie sie sich in der Weimarer Republik engagierte:
Die Frauenhilfe für politische Gefangene, die 1919 in München als Reaktion auf die Zerschlagung der Räterepublik und die damit verbundene Repression entstand, war eine der Vorläuferinnen der Roten Hilfe. Sie war eher eine Selbsthilfeorganisation. Weitere Vorläufer waren die 1921 gebildeten Rote-Hilfe-Komitees der KPD. Die RHD selbst wurde als eine der KPD nahe stehende, aber formal selbständige und von ihr unabhängige Mitgliederorganisation im Jahr 1923 gegründet.
Stärkung des Klassenkampfs
Die RHD war keine linke Caritas, sondern eine politische Vereinigung, die mit ihrer Solidaritätsarbeit die Stärkung des Klassenkampfs zum Ziel hatte. Als internationalistische Organisation gehörte sie der Internationalen Roten Hilfe (IRH) an. 300 AnwältInnen waren in Deutschland für die Rote Hilfe tätig. 1932 wurden 9.000 linke Gefangene, 20.000 Angehörige und 50.000 linke Aktive, gegen die Ermittlungsverfahren liefen, von ihr finanziell unterstützt. Die Rote Hilfe betrieb Erholungsheime für die Kinder politischer Gefangener. Um die nötigen Mittel zu erhalten, sammelten die Mitglieder Geld- und Sachspenden. Gegen Spenden führten sie politische Sketche auf.
Die Rote Hilfe organisierte zudem große Kampagnen: Für die Freilassung von politischen Gefangenen, zum Beispiel für den Dichter und Räterepublikaner Erich Mühsam, oder gegen Gesetzesvorhaben wie den § 218, der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe stellte.
Die RHD gab verschiedene Publikationen heraus: Rechtshilfefibeln, aber auch Romane und Berichte über die Situation in anderen Ländern.
1932 soll die Rote Hilfe in Deutschland nach eigener Angabe ca. 1 Million Mitglieder gehabt haben. Diese Zahl ist wahrscheinlich zu hoch, da auch Organisationen Mitglied werden konnten und deren Mitglieder wohl doppelt gezählt wurden. Auf jedem Fall haben der Roten Hilfe aber viele Hunderttausend Menschen angehört. Auch wenn sie der KPD nahe stand, waren zahlreiche SozialdemokratInnen, AnarchistInnen und Parteilose unter den Mitgliedern. Einzelne Kampagnen wurden von Prominenten wie Kurt Tucholsky, Käthe Kollwitz oder Heinrich Mann unterstützt.
Frauen in der Roten Hilfe
Spezielle Kampagnen der RHD richteten sich direkt an Frauen. Die Arbeit von und mit Frauen war für die Rote Hilfe zentral. Dabei nutzten sie das traditionelle Frauenbild und die damit verbundene Rolle der Frauen in ihrem Interesse. Auf diese Weise an das Frauenbild anzuknüpfen war einerseits nicht unproblematisch, kam andererseits den Frauen aber auch entgegen. Die Arbeit in der Solidaritätsorganisation war niederschwelliger als die in der KPD. Es handelte sich um praktische, humanitäre Aufgaben, die die Frauen in ihrem Wohnumfeld wahrnehmen und gut mit ihrer Familienarbeit vereinbaren konnten. Zudem waren viele der Unterstützten Frauen und Kinder, da die Repression hauptsächlich Männer traf. Frauen wurde ein bewusstes politisches Engagement eher nicht zugetraut. Es gab Frauengruppen in der RHD, und der Frauenanteil war deutlich höher als in der KPD. 1926 lag er bei 19,1 Prozent, 1932 bei 26,7 Prozent.
Auch Jugendarbeit gehörte zu den Aktivitäten der Roten-Hilfe. Sie gab eigene Zeitungen für ein junges Publikum heraus und organisierte Aktionen und Ausflüge für Jugendliche.
Bereits in der Weimarer Republik wurde die Rote-Hilfe Ziel von Repression. Einige ihrer Veranstaltungen wurden verboten, gegen einzelne ihrer Einrichtungen vorgegangen. So wurde das Kinderheim Barkenhoff in Worpswede, ein Erholungsheim für die Kinder inhaftierter oder im Ersten Weltkrieg gefallener politischer Kämpfer, 1932 geschlossen.
Im Frühjahr 1933 wurde die Rote-Hilfe von den Nazis verboten.
(Fortsetzung folgt.)
Fußnote
1 Archiv der Solidaritätsorganisationen der Arbeiter- und Arbeiterinnenbewegung und der sozialen Be- wegungen in Göttingen. Hans Litten, der Namensgeber, war einer der bekanntesten Rechtsanwälte der Roten Hilfe in der Weimarer Republik. Nähere Infos: siehe *www.hans-litten-archiv.de