Ohne Klas­sen­kampf kei­ne Über­win­dung des Kapi­ta­lis­mus (Teil 1)

Ohne Klas­sen­kampf kei­ne Über­win­dung des Kapi­ta­lis­mus (Teil I)

Am 22. und 23. April 2017 war die Kapi­ta­lis­mus­ana­ly­se und -kri­tik von Karl Marx The­ma des dies­jäh­ri­gen Früh­jahrs­se­mi­nars der ISO Rhein-Neckar. Wir ver­öf­fent­li­chen hier den ers­ten Teil eines der dort gehal­te­nen Referate.

O. H.

Nach mar­xis­ti­scher Auf­fas­sung ist der Kampf zwi­schen den Klas­sen, der unter­drück­ten gegen die unter­drü­cken­de und umge­kehrt, eine wirk­sa­me Trieb­kraft der Ent­wick­lung jeder Klas­sen­ge­sell­schaft. So wie das Bür­ger­tum, die Bour­geoi­sie, gegen den Feu­dal­adel kämpf­te – kämp­fen muss­te – und gewann, weil sie fort­schritt­li­cher war, so muss die arbei­ten­de Klas­se, das Pro­le­ta­ri­at, gegen die Bour­geoi­sie kämp­fen und hat die Mög­lich­keit, weil es wie­der­um fort­schritt­li­cher ist als die Bour­geoi­sie, zu gewinnen.

Die Bour­geoi­sie kann sich beim Kampf gegen das Pro­le­ta­ri­at in der bür­ger­li­chen Gesell­schaft auf die bür­ger­li­che Staats­ge­walt stüt­zen, wäh­rend der pro­le­ta­ri­sche Klas­sen­kampf gegen die Bour­geoi­sie ein­her­geht mit dem Kampf gegen den Staat. Aus die­sem Grund kann das Pro­le­ta­ri­at die exis­tie­ren­de Staats­macht nicht ein­fach in Besitz neh­men und sie für ihre Zwe­cke einsetzen. 
Der pro­le­ta­ri­sche Klas­sen­kampf tritt nach mar­xis­ti­scher Auf­fas­sung in drei For­men auf – als theo­re­ti­scher, als prak­tisch-öko­no­mi­scher (wirt­schaft­li­cher) und als poli­ti­scher Kampf. Die­se drei For­men müs­sen jedoch eine Ein­heit bil­den. Sie kön­nen nur zum Erfolg füh­ren, wenn sie nicht von­ein­an­der getrennt sind.


1. Der theo­re­ti­sche Klas­sen­kampf
Die theo­re­ti­sche Form des Klas­sen­kamp­fes ist die von Marx und Engels begrün­de­te wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­se und Kri­tik des Kapi­ta­lis­mus. Deren Grund­la­gen sind die his­to­risch-mate­ria­lis­ti­sche Geschichts- und Gesell­schafts­ana­ly­se sowie die Kri­tik der poli­ti­schen Ökonomie.
Der „Mar­xis­mus“ ist laut Marx kei­ne Theo­rie oder Phi­lo­so­phie, um die Welt zu inter­pre­tie­ren. Marx‘ Geschichts­auf­fas­sung ver­steht und erklärt die Gesell­schaft durch Klas­sen­in­ter­es­sen und Klas­sen­ge­gen­sät­ze. Der Klas­sen­kampf fin­det fak­tisch immer statt, wird aber durch den von der Gesell­schaft abge­ho­be­nen Staat als offe­ner Kampf unter­drückt und in gesetz­li­che und poli­ti­sche For­men gezwungen.

Die Form einer Gesell­schaft ent­spricht den ihr zugrun­de lie­gen­den öko­no­mi­schen Bedin­gun­gen. Ent­schei­den­de Grund­la­ge der Öko­no­mie ist die Form des Eigen­tums an den Produktionsmitteln.
Nach mar­xis­ti­scher Auf­fas­sung hat das Pro­le­ta­ri­at als Klas­se die Auf­ga­be, durch den Klas­sen­kampf den Kapi­ta­lis­mus und das Pri­vat­ei­gen­tum an den Pro­duk­ti­ons­mit­teln zu über­win­den. Dadurch kann nach Marx die gesell­schaft­li­che Bedin­gung für die Exis­tenz von Klas­sen wegfallen.

Auf dem Weg zu einer klas­sen­lo­sen Gesell­schaft und einer bedürf­nis­ori­en­tier­ten Wirt­schaft muss das Pro­le­ta­ri­at ein Bewusst­sein als Klas­se erlan­gen. Es muss sich von einer (auf­grund der Lohn­ar­beit objek­tiv exis­tie­ren­den) Klas­se an sich, zu einer Klas­se für sich (mit poli­ti­schem Klas­sen­be­wusst­sein) wan­deln. Erst dann kann sie zum geschicht­lich wirk­sa­men Akteur werden. 
Ziel der sozia­lis­ti­schen Bewe­gung ist die soli­da­ri­sche Gesell­schaft, eine Gesell­schaft ohne Klas­sen und ohne Pri­vat­ei­gen­tum an den Produktionsmitteln. 
Marx und Engels sahen die Schaf­fung einer pro­le­ta­ri­schen Par­tei, die demo­kra­tisch orga­ni­siert und kol­lek­tiv hand­lungs­fä­hig ist, als wesent­lich an. Sie ist eine zen­tra­le Vor­aus­set­zung, um die poli­ti­sche Macht der arbei­ten­den Klas­se in der bür­ger­li­chen Gesell­schaft stär­ken zu kön­nen. Ohne sie kann die Herr­schaft des Kapi­tals letzt­lich nicht über­wun­den und gebro­chen werden.

[Fort­set­zung folgt.]

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti, Mai 2017
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