Die Dop­pel­stra­te­gie von XXXLutz – höchs­te Zeit für Gegenwehr

Die Dop­pel­stra­te­gie von XXXLutz – höchs­te Zeit für Gegenwehr

Work Watch, 27. April 2016

Die XXXLutz-Unter­neh­mens­grup­pe ist nach eige­ner Dar­stel­lung einer der größ­ten Möbel­händ­ler der Welt. Sein Jah­res­um­satz liegt bei 4 Mil­li­ar­den Euro, 20.000 Beschäf­tig­te erar­bei­ten ihn in 200 Filia­len mit ein­heit­li­cher Aus­rich­tung und unter ein­heit­li­chem Kommando. 
In Deutsch­land rollt der Kon­zern durch Auf­käu­fe exis­tie­ren­der Möbel­häu­ser die Bran­che auf. Beglei­tet von Skan­da­len um Mas­sen­ent­las­sun­gen und Teil­still­le­gun­gen in Mün­chen, Mann­heim, Ober­hau­sen und jetzt auch – ange­droht – in Aachen.

Der Kon­zern han­delt dabei nach einer ein­heit­li­chen Stra­te­gie, ver­mei­det aller­dings die Rechts­form eines Kon­zerns. Die bei­den Inha­ber, Andre­as und Richard Sei­fert, der Deutsch­land­chef Alo­is Kobler und eine Hand­voll wei­te­rer füh­ren­der Mana­ger lei­ten die Geschäf­te mit­hil­fe Hun­der­ter Einzelgesellschaften.

Nicht nur ist jede XXXLutz-Filia­le recht­lich eigen­stän­dig; sie ist in bis zu fünf ver­schie­de­ne GmbHs zer­legt. Der spe­zi­el­le Trick des Kon­zerns: Er hat zwei Sor­ten GmbHs für jede Filia­le geschaf­fen. Die eine Sor­te – die Betrei­ber­ge­sell­schaf­ten – orga­ni­siert die Häu­ser, d.h. den Ein­kauf oder die Immo­bi­li­en­ver­wal­tung. Die ande­re Sor­te der GmbHs – die Ser­vice­ge­sell­schaf­ten – ist Arbeit­ge­ber für das Per­so­nal. Ver­käu­fe­rIn­nen, Lager­ar­bei­te­rIn­nen und Mon­teu­rIn­nen sind in jeweils einer spe­zi­el­len GmbH zusam­men­ge­fasst. Rein recht­lich haben die GmbHs und beson­ders die bei­den Spar­ten, in die sie auf­ge­teilt sind, nichts mit­ein­an­der zu tun. Der Kon­zern führt Ser­vice- und Betrei­ber­ge­sell­schaf­ten in sei­ner deut­schen Zen­tra­le in Würz­burg und im öster­rei­chi­schen Wels mit­hil­fe wei­te­rer eigen­stän­di­ger Gesellschaften.

Die Ser­vice­ge­sell­schaf­ten ver­fü­gen prak­tisch über kein eige­nes Kapi­tal und Ver­mö­gen. Wenn ihr Per­so­nal nicht von der ört­li­chen Betrei­ber­ge­sell­schaft ange­heu­ert wird – in einer Art Werk- oder Dienst­leis­tungs­ver­trag – dann ver­die­nen sie nichts und sind sozu­sa­gen von einem auf den ande­ren Tag plei­te. Denn außer der ört­li­chen XXXL-Betrei­ber­ge­sell­schaft haben sie kei­ner­lei Auf­trag­ge­ber. Das rückt die Ver­trä­ge zwi­schen Betrei­ber­ge­sell­schaft und Ser­vice­ge­sell­schaf­ten in die Nähe von ille­ga­len Schein-Werkverträgen.

XXXLutz wei­tet sein Fili­al­netz aus­schließ­lich durch Über­nah­me bis­lang eigen­stän­di­ger Möbel­häu­ser aus. Im Rah­men eines Betriebs­über­gangs zer­schlägt der Kon­zern dabei mit­hil­fe der GmbH-Kon­struk­ti­on bestehen­de Beleg­schaf­ten und deren Betriebs­rä­te. Den „will­kom­me­nen“ Beschäf­tig­ten wird die Wei­ter­be­schäf­ti­gung in einer der neu­en GmbHs zur erheb­lich schlech­te­ren Kon­di­tio­nen in Aus­sicht gestellt. Ein­zi­ge Alter­na­ti­ve zum Ange­bot ist die Kündigung.

Gekün­digt wer­den ins­be­son­de­re über­nom­me­ne Mit­ar­bei­ter, die auf­grund beson­de­rer Vor­aus­set­zun­gen auf nor­ma­lem Weg nicht mehr künd­bar sind (Alter, lan­ge Betriebs­zu­ge­hö­rig­keit) oder die nach gel­ten­den Tari­fen oder höher zu bezah­len – also teu­er – sind. Wei­ter­hin ste­hen die auf der Abschuss­lis­te, die von Haus aus nicht blind und wei­sungs­ge­mäß den Inter­es­sen der Inha­ber fol­gen, z.B. akti­ve Gewerk­schaf­te­rIn­nen oder kämp­fe­ri­sche Betriebs­rä­te. Auf die­se Wei­se spart und senkt XXXL Lohn­kos­ten, begeht Tarif­flucht, betreibt Uni­on-Bus­ting, umgeht Sozi­al­plan-Pflich­ten und unter­läuft Kündigungsfristen.

So hat es der Kon­zern in Mün­chen, in Mann­heim, in Ober­hau­sen und an wei­te­ren Stand­or­ten ange­droht und auch mehr­fach praktiziert.
Die Arbeits­ge­rich­te hal­ten bis­lang nicht dage­gen. Nur das Arbeits­ge­richt Ober­hau­sen hat erkannt (AZ 3 Ca 11400/15), dass die GmbH-Struk­tur von XXXL der Umge­hung von Kün­di­gungs­schutz­be­stim­mun­gen dient und nicht akzep­ta­bel ist. Ob die­se Kon­struk­ti­on dar­über hin­aus nicht auch wirt­schafts­recht­lich und straf­recht­lich unzu­läs­sig ist, wur­de bis­lang nicht geprüft. Ein ehe­ma­li­ger Lan­des­so­zi­al­rich­ter stellt in einem Auf­satz die The­se auf, die Zer­le­gung jeder ört­li­chen Filia­le in Betrei­ber- und Ser­vice­ge­sell­schaf­ten sei mög­li­cher­wei­se nach §138 BGB ein „sit­ten­wid­ri­ges Rechts­ge­schäft“ und des­halb nich­tig. In Ober­hau­sen hat ein unab­hän­gi­ger Akti­ons­kreis die bewuss­te Umge­hung des § 613 BGB als Tat­be­stand des Betru­ges unter dem Gesichts­punkt einer „fin­gier­ten Betriebs­schlie­ßung“ unter­sucht und eine ent­spre­chen­de Anzei­ge auf den Weg gebracht.

Es ist höchs­te Zeit, gegen die­ses Aus­beu­tungs­mo­dell offen­siv vor­zu­ge­hen. Denn XXXL ist dabei, Deutsch­land von Süden nach Nor­den in die­sem Sin­ne „auf­zu­rol­len“. Außer­dem macht die Kon­struk­ti­on Schu­le, ande­re Groß­kon­zer­ne neh­men sich ein Vor­bild und pla­nen Ähn­li­ches. Gelingt das, ist der flä­chen­de­cken­den Tarif­flucht und der will­kür­li­chen Zer­schla­gung betriebs­rät­li­cher Struk­tu­ren Tür und Tor geöff­net. Gegen­wehr ist prak­tisch unmög­lich – es sei denn auf Kos­ten der sofor­ti­gen Insol­venz der zustän­di­gen Ser­vice-GmbH und fol­gen­der Massenentlassungen. 

Quel­le: http://www.work-watch.de/2016/04/die-doppelstrategie-von-xxxlutz-hoechste-zeit-fuer-gegenwehr/

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti 244, Mai 2016
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