XXXL Rück:
Einzelhandel ohne Personal?
Seit Anfang August werden die Kündigungsschutzklagen der Altbeschäftigten von Rück vor dem Landesarbeitsgericht in Düsseldorf verhandelt. Das Unternehmenskonstrukt von XXXLutz spielt hier eine zentrale Rolle.
Petra Stanius
Die Möbelstadt Rück gehört seit Anfang 2014 zur österreichischen XXXLutz-Gruppe, die faktisch ein Konzern ist, aber alles tut, um diese Rechtsform zu vermeiden. Sie übernimmt bestehende Möbelhäuser und spaltet die nach außen weiterhin einheitlichen Betriebe in mindestens fünf Gesellschaften auf, um aus der Tarifbindung auszubrechen und Lohndumping zu betreiben.
Die Struktur der Gruppe ist gezielt unübersichtlich. Vermögende Immobilienbesitz- und Finanzierungsgesellschaften werden von mehreren hundert fast vermögenslosen und nicht tarifgebundenen Dienstleistungsgesellschaften rechtlich getrennt. Wenn das Unternehmensinteresse es erfordert, sind die nur formal eigenständigen Dienstleistungsgesellschaften schnell wieder liquidiert. Bei diesen sind die KollegInnen angestellt und werden in den XXXL-Filialen eingesetzt.
Kündigungen und Tarifflucht
Zum 31. Dezember 2014 wurde den Beschäftigten der Möbelstadt Rück gekündigt und der Betrieb gespalten. Die meisten KollegInnen erhielten Arbeitsverträge von einer von fünf XXXLutz-Gesellschaften.
Die Möbelstadt Rück blieb Eigentümerin der Immobilie. Die neuen Gesellschaften stellten das Personal. Zur Nutzung des Geschäfts und des Inventars hatten sie Verträge mit der Möbelstadt Rück abgeschlossen.
Doch zum 31. Juli 2015 kündigte die Möbelstadt Rück den beiden Gesellschaften, die das Verkaufshaus übernommen hatten, die Verträge. Die nun auftragslosen Dienstleistungsgesellschaften kündigten wiederum ihren Beschäftigten aus betrieblichen Gründen. Ab dem 1. August 2015 wurden die Geschäfte von nunmehr neun anderen Gesellschaften übernommen. Bei acht von ihnen handelt es sich um XXXLutz-Dienstleistungsgesellschaften. Lediglich der Bereich Reinigung wurde an das Unternehmen Stölting abgegeben.
68 KollegInnen – darunter Schwerbehinderte und der gesamte Betriebsrat – wurden nicht übernommen und verloren ihren Arbeitsplatz.
Das Arbeitsgericht Oberhausen hatte in den meisten Fällen entschieden, dass die Kündigungen der Altbeschäftigten unwirksam waren, weil ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB stattgefunden hat. Gegen diese Urteile legte die Geschäftsleitung Berufung ein.
Wesentliche Veränderungen?
Am 30. August 2016 wurde daraufhin vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf die Klage eines langjährigen Verkäufers von Rück verhandelt. Sein Arbeitsverhältnis war zum 1. Januar 2015 auf eine der beiden XXXLutz-Gesellschaften übergegangen, die den Betrieb des Verkaufshauses übernommen hatten.
Am 1. August 2015 wurde die Abteilung dieses Mitarbeiters von einer der acht „neuen“ XXXL-Gesellschaften übernommen, er wurde dort aber nicht weiterbeschäftigt. Auch jetzt hatte es keine wesentlichen Veränderungen im Betrieb des Möbelhauses gegeben. Der Unternehmensanwalt versuchte jedoch, das Gericht davon zu überzeugen, dass am 1. August 2015 kein erneuter Betriebsübergang stattgefunden hat und es auch keinen einheitlichen Betrieb mehr gibt. Die neuen Gesellschaften seien reine Dienstleistungsunternehmen. Der Einzelhändler sei das Möbelhaus Rück. Dieses aber habe kein Personal, also stellten sich auch keine arbeitsrechtlichen Fragen.
Dass die acht Unternehmen, die heute XXXL Rück betreiben, Hand in Hand arbeiten, läge nicht daran, dass es eine gemeinsame Unternehmensleitung gibt, sondern an einer innovativen Software, die alles steuere. Somit würde keine Koordination der Tätigkeiten durch eine Leitung stattfinden, da Software ja keine Leitung sei.
Teilerfolge
Die Argumentation des Anwalts überzeugte die 14. Kammer des LAG nicht. Sie bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichtes Oberhausen. Dem Verkäufer hätte nicht gekündigt werden dürfen, weil ein Teilbetriebsübergang stattgefunden hat.
Zwei Tage später, am 1. September 2016, wurden die Kündigungsschutzklagen von drei Kolleginnen von Rück vor dem LAG verhandelt. Die 5. Kammer kam ebenfalls zu diesem Ergebnis.
In den nächsten Monaten stehen noch über zwanzig Verhandlungen von KollegInnen von XXXL Rück vor dem LAG Düsseldorf an, bei unterschiedlichen Kammern. Die gewonnenen Prozesse sind erfreulich und ein gutes Zeichen, aber keine Garantie dafür, dass alle anderen auch dieses Ergebnis haben werden. Zudem hat das LAG die Revision zugelassen.
Vor allem aber stellen die Urteile nicht das Unternehmenskonstrukt als solches in Frage.
Gegenwehr organisieren!
XXXL Rück zu boykottieren und Forderungen an den Rat zu stellen, wie es geschieht, ist angebracht, wird jedoch nicht ausreichen, um XXXLutz und seinen Nachahmern das Handwerk zu legen. Die Vorgänge in Oberhausen sind keine Einzelfälle. Nötig ist eine bundesweite von Gewerkschaften, Parteien, Initiativen etc. getragene Kampagne, die diese kriminellen Methoden öffentlich macht und ächtet. Dies würde mit der Zeit auch die Rechtsprechung beeinflussen. Zudem sollten die Strukturen von XXXL weiter analysiert und KollegInnen, besonders Betriebsräte über die Strategie von XXXLutz informiert werden, welche in vergleichbarer Weise auch von anderen Unternehmen praktiziert wird. Außerdem sollten ggf. nötige Gesetzesänderungen eingefordert werden – und die Einhaltung der bestehenden Gesetze zum Schutz von Beschäftigten.
Nicht zuletzt ist praktische Solidarität mit den betroffenen KollegInnen gefragt. Die sich über eine lange Zeit hinziehende Auseinandersetzung mit XXXLutz stellt eine große psychische und finanzielle Belastung dar. Die Hälfte der KollegInnen von Rück, die gegen ihre Entlassung geklagt hatten, musste den Kampf inzwischen aufgeben, weil sie sich ihn nicht mehr leisten konnten.
Einen ausführlicheren Beitrag zu diesem Thema findet Ihr unter www.akuwill.de