Zur Kom­mer­zia­li­sie­rung und Pri­va­ti­sie­rung im Gesund­heits­we­sen Teil 1

Zur Kom­mer­zia­li­sie­rung und Pri­va­ti­sie­rung im Gesund­heits­we­sen und den Aus­wir­kun­gen auf die Pati­en­ten und Beschäftigten

Inter­view mit Uwe Kup­fer­schlä­ger, Betriebs­rat in der städ­ti­schen Uni­kli­nik in Mannheim

Das Inter­view wur­de vom Lokal­ra­dio Ber­mu­da­funk Mit­te Novem­ber geführt und gesendet.

Hier ist Rein­hard vom Ber­mu­da­funk, dem frei­en Radio in Mannheim/Heidelberg. Wir sind hier in der städ­ti­schen Uni­kli­nik in Mann­heim und ich spre­che mit einem der Betriebs­rä­te, der im Zusam­men­hang der Aus­ein­an­der­set­zung um Hygie­ne - und Per­so­nal­man­gel­pro­ble­me am 23.Oktober 2014 einen Leser­brief geschrie­ben hat, von dem ich zum Ein­stieg jetzt eini­ges zusam­men­fas­sen möchte.

Uwe Kup­fer­schlä­ger (U.K.) schrieb: Sei­ner Mei­nung nach sei der eigent­li­che Skan­dal nicht der Hygie­ne­skan­dal, der ja von den Betriebs­rä­ten und Ver­trau­ens­leu­ten schon seit Jah­ren beklagt wird, son­dern die Kom­mer­zia­li­sie­rung der Gesund­heits­ver­sor­gung ins­ge­samt - also der zuneh­men­de Wett­be­werb und die voll­kom­men unbrauch­ba­ren Rah­men­be­din­gun­gen. Zum Schluss sei­nes Leser­briefs stellt er aus sei­ner Sicht dar, dass die­ser Ver­such, nach betriebs­wirt­schaft­li­chen Kri­te­ri­en immer kos­ten­gün- sti­ger zu arbei­ten und trotz­dem eine maxi­ma­le Ver­sor­gung der Pati­en­ten – auch z.B. ohne lan­ge War­te­zei­ten - auf­recht zu erhal­ten, geschei­tert sei. Wenn die Poli­tik sich das ein­ge­ste­hen wür­de, wäre es viel­leicht mög­lich, ein Umden­ken aus­zu­lö­sen. Er bezeich­net den Per­so­nal­ab­bau, der jah­re­lang statt­ge­fun­den hat und lei­der immer noch statt­fin­det, die „Ein­spa­run­gen“ sowie das Out­sour­cing von Dienst­leis­tun­gen, als min­des­tens fahr­läs­sig. Uwe kannst du uns schil­dern, wie die aktu­el­le Lage jetzt ist?

U.K.: Zur aktu­el­len Lage: Im Moment scheint sie sich ein wenig beru­higt zu haben. Der Hygie­ne­skan­dal ist soweit eini­ger­ma­ßen im Griff. Die­se Ste­ril­gut­ab­tei­lung wird jetzt von einer zer­ti­fi­zier­ten Fir­ma betreut. Man ver­sucht gera­de, das Gan­ze so auf­zu­stel­len, dass man wie­der in einen Nor­mal­be­trieb kom­men kann. Wie gut das klap­pen wird, wer­den wir in den nächs­ten Wochen sehen. Dar­über hin­aus ist eine Kom­mis­si­on ein­ge­rich­tet wor­den. Der Ober­bür­ger­meis­ter Kurz hat das ja auch ver­brei­tet, es stand auch schon im Mann­hei­mer Mor­gen. Die­se Kom­mis­si­on soll ein­fach über­prü­fen, was in der Ver­gan­gen­heit schief gelau­fen ist. Zum einen in der Ste­ril­gut­ab­tei­lung, zum ande­ren in der Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den ein­zel­nen Abtei­lun­gen und der Füh­rungs­ebe­ne. Denn es hat sich ja auch gezeigt, dass nicht alle Infor­ma­tio­nen in der Füh­rungs­ebe­ne ange­kom­men sind. So wur­de das dar­ge­stellt. Soviel zum Aktuellen.

BF: In mei­ner zwei­ten Fra­ge, möch­te ich noch ein­mal grund­sätz­lich auf die seit län­ge­rer Zeit von den Regie­run­gen auf­ge­stell­ten Behaup­tun­gen ein­ge­hen, das es angeb­lich Geld­man­gel und Spar­zwän­ge gäbe und dass es not­wen­dig wäre, die Kos­ten des Gesund­heits­we­sens zu deckeln. Dazu­möch­te ich ein­fach ein paar Stich­wor­te geben. Die­ser Kampf gegen die Ver­schlech­te­run­gen im Gesund­heits­we­sen, gegen Pri­va­ti­sie­run­gen und Kom­mer­zia­li­sie­run­gen fin­det schon seit den 70er/80er Jah­ren statt. Der Geld­man­gel - der so genann­te Sach­zwang, Kos­ten deckeln zu müs­sen - ist in keins­ter Wei­se zutref­fend und gerecht­fer­tigt, weil er auf der einen Sei­te haus­ge­macht, also von der Poli­tik selbst ver­ur­sacht wur­de, auf der ande­ren Sei­te aber im glei­chen Zeit­raum Ver­mö­gens­steu­ern abge­schafft, die Steu­er­ein­nah­men von Rei­chen in unvor­stell­bar gesenkt wur­den und auch Mil­li­ar­den­be­trä­ge für Rüs­tung und per­ma­nen­te Kriegs­ein­sät­ze aus­ge­ge­ben wer­den. Von uns wird seit Lan­gem kri­ti­siert, was die Anschaf­fung von Bun­des­wehr-Groß­flug­zeu­gen kos­tet und was man an Stel­le von einem oder zwei oder zehn Flug­zeu­gen Sinn­vol­les in Kran­ken­häu­sern oder in ande­ren sozia­len Berei­chen tun könn­te. Als Fra­ge jetzt direkt: Ist dir auch die bun­des­wei­te Stu­die von ver.di bekannt, dass wenn es aus­rei­chend Per­so­nal gäbe und wenn nicht die Belas­tung der Beschäf­tig­ten in dem Maße gewach­sen wäre, wie sie in den letz­ten Jah­ren gewach­sen ist, es mög­lich gewe­sen wäre, 5.000 Pati­en­ten­In­nen mehr am Leben zu hal­ten? Kannst Du sagen, ob Dei­ner Mei­nung nach die Stu­die zutref­fend ist oder in wel­chem Zusam­men­hang das zu sehen ist?

UK: Die Stu­die ken­ne ich lei­der nicht ganz genau, weiß aber, dass es vor eini­gen Jah­ren schon ame­ri­ka­ni­sche Stu­di­en gab, in denen sehr aus­führ­lich aus­ge­wer­tet wur­de, wie das Ver­hält­nis von Per­so­nal zu Über­le­bens­ra­ten ist. Da ist es schon nach­ge­wie­sen, dass Men­schen, die von genü­gend und aus­rei­chend gut qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal betreut wur­den, eine bes­se­re Über­le­bens­chan­ce im Kran­ken­haus haben, als Men­schen die in Kran­ken­häu­ser gehen müs­sen, in denen die Qua­li­fi­ka­ti­on und der Per­so­nal­schlüs­sel schlech­ter sind. Die ster­ben häu­fi­ger, das ist ein­fach so. Da kann man einen Zusam­men­hang tat­säch­lich herstellen.

BF: Des­we­gen ist es auch nicht über­trie­ben, wenn ver.di von einer Zwei­klas­sen­ge­sund­heits­ver­sor­gung spricht. Mei­ner Ansicht nach ist es eine Drei­klas­sen­ge­sund­heits­ver­sor­gung. Also mit Drei­klas­sen mei­ne ich jetzt, dass es immer mehr Men­schen gibt, die gar kei­ne Ver­si­che­rung haben, oder z.B. Flücht­lin­ge, die eine wesent­lich schlech­te­re Mini­mal­ver­sor­gung haben. Das mei­ne ich jetzt mit der drit­ten Klasse.

UK: Ich den­ke, dass man im Moment in den Kran­ken­häu­sern ver­sucht, gera­de eben dies nicht pas­sie­ren zu las­sen. Die Beschäf­tig­ten in den Kran­ken­häu­sern ver­su­chen, alle Men­schen so gut wie mög­lich zu behan­deln. Das Pro­blem ist aber tat­säch­lich, dass die Finan­zie­rung die­ser Leis­tung schon in Rich­tung Drei­klas­sen - oder Zwei­klas­sen­me­di­zin geht. Es ist so, dass bestimm­te Leis­tun­gen eben nicht gut finan­ziert sind und auch dann nur aus­rei­chend und auf Dau­er in die­sem Sys­tem erbracht wer­den kön­nen, wenn irgend­je­mand was drauf­zahlt. Man­che Leu­te kön­nen es sich leis­ten und ande­re eben nicht.

Der zwei­te Teil des Inter­views erscheint in der nächs­ten Avan­ti Bei­la­ge im Janu­ar 2015.

aus der Ober­hau­se­ner Bei­la­ge zur Avan­ti 228, Dezem­ber 2014
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